Interview mit Jan Sithole (SFTU, Swasiland)

"Jegliche Opposition soll zum Schweigen gebracht werden“

Die Behörden Swasilands gehen weiterhin gegen die Demokratiebewegung in ihrem Land vor. Die Macht konzentriert sich in den Händen des Königs und seiner handverlesenen Regierung. Im Zuge der Repressionen wurde der Gewerkschafter Jan Sithole im vergangenen Jahr zweimal verhaftet. Trotz der Einschüchterungsversuche stehen er und die Swaziland Federation of Trade Unions (SFTU) weiter in vorderster Front, für politische Veränderungen und um Arbeitnehmerrechte zu verteidigen. Swasiland leidet unter bitterer Armut und der weltweit schlimmsten Aids-Epidemie.

Vor welchen Problemen stehen die Gewerkschaften und andere Demokratieverfechter heute in Swasiland?

Das Land lebt in bitterer Armut. Mehr als 70 Prozent unserer Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Das heißt, sie haben etwa 2 Dollar pro Tag zum Leben. Rund ein Drittel unserer Bevölkerung ist täglich auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) bestätigt Statistiken, aus denen hervorgeht, dass 60 Prozent der Haushaltseinkommen auf lediglich 20 Prozent der Bevölkerung entfallen. Die Reichen werden reicher, und die Armen werden ärmer. Dabei sollte laut IWF Swasiland gemessen an seiner Wirtschaftsleistung ein Land mit mittlerem Einkommen sein. Würde der im Land geschaffene Wohlstand gerecht verteilt, müsste niemand in Armut leben. Die ungleichmäßige Verteilung ist eine Folge von Korruption. In unserem Regierungssystem fehlt es an Kontrolle und Gegenkontrolle – dies begünstigt Vetternwirtschaft. Außerdem wurden politische Parteien verboten; das Land befindet sich seit 35 Jahren im Ausnahmezustand.

Hat sich die Lage nicht gebessert, seit die Verfassung im Jahr 2005 verabschiedet wurde?

Die Verfassung war eine Forderung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie sieht die Beteiligung politischer Parteien an Regierungsfragen leider nicht vor. Es herrscht daher weiterhin ein Feudalsystem mit einer der letzten absoluten Monarchien. Das Regime ist eine extreme Diktatur, abweichende Meinungen werden nicht toleriert. Wir dachten, wir hätten mit der neuen Verfassung den Weg für einen Grundrechtskatalog geebnet. Die Regierung hat jedoch den weltweiten Terrorismus ausgenutzt. Sie hat ein Antiterrorgesetz eingebracht, das mit Terrorismus nichts zu tun hat. Das Gesetz zielt vor allem darauf ab, die Opposition und die Kritiker des Regierungssystems zum Schweigen zu bringen.

Wie hat die Demokratiebewegung ihre Reformagenda vertreten?

Es gab Proteste. Außerdem haben wir die Regierung aufgefordert, die Haushaltsdisziplin zu achten, wenn öffentliche Mittel für die Monarchie bereitgestellt werden. Ein Beispiel: Als im letzten Jahr Feiern anlässlich des 40. Geburtstages des Königs und des 40-jährigen Bestehens des Landes stattfanden, haben wir protestiert. Allein für die zweitägigen Feierlichkeiten wurden mehr als 120 Millionen Rand (rund 10,9 Millionen Euro) ausgegeben. Zuvor war ein Privatflugzeug gechartert worden, um den König und seine Ehefrauen nach Thailand und Dubai zu fliegen, um für Geburtstag und Jubiläum einzukaufen.

Wie trifft die Wirtschaftskrise auch Swasiland?

Unsere Volkswirtschaft basiert auf Landwirtschaft und ist exportorientiert. Was wir produzieren, geht meist nach Europa, hauptsächlich Zucker, auch in die USA und nach Asien. Angesichts der Finanzkrise sind wir bereits unter Druck geraten. Das steht im Widerspruch zu dem, was die afrikanischen Regierungen sagen. Sie behaupten, ihre Banken seien konservativ, weshalb afrikanische Länder der Krise nicht in dem Maße ausgesetzt seien wie Europa und die USA.

Wir haben aber unsere Märkte in Europa und den USA. Und weil dort derzeit weniger Kredite ausgegeben werden, werden letztendlich auch unsere Produkte weniger nachgefragt. Das Resultat sind Stellenstreichungen im Großteil unserer Industrie. In einigen Branchen dürfte es zu einem Lohnstopp, zu massiven Einsparungen oder Entlassungen kommen. Drei Textilbetriebe haben ihren Betrieb bereits eingestellt. Sie hoffen, dass sich der europäische Markt in ein oder zwei Monaten erholen wird und die ehemaligen Beschäftigten wieder eingestellt werden können.

Im letzten Jahr gab es einen großen Streik in der Textilbranche. Hauptsächlich Frauen waren beteiligt. Was war los?

Es ging um bessere Arbeitsbedingungen und die Löhne. Die Bezahlung hinkt schon sehr lange hinter der Inflation her. Die für einen legalen Streik erforderlichen gesetzlichen Verfahren wurden befolgt. Aber angesichts der Immunität, die die chinesischen Textilbetriebe von politischer Seite genießen, wurde einfach die Armee eingesetzt, um die Frauen an ihren Arbeitsplatz zu zwingen. Als die Frauen sich weigerten, wurden Gummigeschosse, Tränengas und Schlagstöcke eingesetzt – nur weil sie menschenwürdige Löhne gefordert hatten! Einige wurden verletzt, Entschädigungen gab es keine. Die Polizei stritt alles ab und behauptete wie üblich, die Frauen seien gewalttätig gewesen.

Anderes Thema: Welche Folgen hat die Aids-Epidemie in Swasiland?

Wir halten leider den traurigen Rekord für die höchste HIV-Rate der Welt. Bei einer Bevölkerung von rund einer Million gibt es inzwischen 200.000 Aids-Waisen, und die Zahl der Familien mit einem Kind als Familienoberhaupt wird täglich größer. Unser Land bezieht zwar Mittel aus dem Globalen Fonds der UNO, aber unsere Regierung betrachtet die HIV-Bekämpfung leider nicht als Priorität. Zum Beispiel sind die Haushalte für das Gesundheitswesen und die Landwirtschaft wesentlich geringer als der für das Militär. Diese Art der Haushaltsplanung ist typisch für Diktaturen, die für ihren Machterhalt auf die Streitkräfte zurückgreifen.

Angesichts der Versäumnisse der Regierung - was tun die Gewerkschaften, um Aids in den Griff zu bekommen?

Die Gewerkschaften bekommen kein Geld aus dem Globalen Fonds, um ihre Mitglieder über Aids, freiwillige Beratungsdienste und Tests zu informieren. Die Mittel werden lediglich an Arbeitgeberorganisationen und andere nichtstaatliche Organisationen verteilt. Was wir tun können, ist unsere Arbeit in den Betrieben fortzusetzen. Es ist uns beispielsweise gelungen, einen Mustertarifvertrag in Bezug auf HIV und Aids festzulegen. Nun gibt es einen tarifvertraglichen Schutz vor Diskriminierung. Bei Missachtung können die Arbeitgeber verklagt werden. Die Regierung hat in diesem Zusammenhang lediglich einen Verhaltenskodex eingeführt, der nicht einklagbar ist. Unser Mustertarifvertrag ist insofern ein viel besseres Instrument.

Hat sich dies in der Praxis als erfolgreich erwiesen?

Inzwischen haben sich mehr als sechs Industriebereiche bereit erklärt, diesen Mustertarifvertrag anzunehmen. Das Gute daran ist, dass wir uns im Zusammenhang mit dem HIV/Aids-Mustertarifvertrag jederzeit an die Arbeitgeber wenden können. Eigentlich wird über Arbeitsumstände und -bedingungen nur einmal pro Jahr verhandelt. Aber hier haben wir es mit einer Katastrophe zu tun. Wir können kein Jahr warten, um zu diskutieren, wie wir am besten mit dieser Pandemie umgehen.

In welcher Weise arbeiten die Gewerkschaften mit anderen zusammen, um demokratische Veränderungen herbeizuführen?

Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Kirchen, Menschenrechtsanwälte und Frauengruppen haben eine Bürgervereinigung gegründet. Sie kämpft hauptsächlich gegen die Missachtung der Rechtsstaatlichkeit durch die Regierung und für Haushaltsdisziplin bei der Verwendung öffentlicher Mittel. Außerdem geht es uns um die Bekämpfung der Korruption und um einen Verfassungsprozess, der niemanden ausgrenzt und die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte beinhaltet. Und natürlich geht es um den Kampf gegen HIV/Aids. Die SFTU ist außerdem Gründungsmitglied der Swaziland United Democratic Front, die sich für eine Mehrparteiendemokratie in Swasiland einsetzt, untermauert durch eine Verfassung, die vom Volk ausgeht und nicht vom königlichen Klüngel.

Interview: Paul Ames (Manzini, März 2009).



Weiteres Material:

- Interview mit Vincent Ncongwane (SFL, Swasiland): "In the absence of (political) opposition (to the government), we as unions cannot shy away from political issues".

- Union View Briefing: Swaziland: the repressive side of an absolute monarchy