Globaler Rechtsindex des IGB 2017: Gewalt und Repressionen gegenüber erwerbstätigen Menschen nehmen zu

Die Zahl der Länder, in denen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer körperlicher Gewalt und Drohungen ausgesetzt sind, hat sich in nur einem Jahr um 10 Prozent erhöht. Das geht aus dem Globalen Rechtsindex des IGB hervor. In 59 Ländern wurden Angriffe auf Gewerkschaftsmitglieder dokumentiert, und die Angst um Arbeitsplätze und Löhne wächst.

Der Bericht macht deutlich, dass die Interessen der Unternehmen den Interessen der arbeitenden Menschen in der globalisierten Wirtschaft übergeordnet sind, wobei in 60 Prozent der Länder zahlreiche Gruppen von Beschäftigten vom Arbeitsrecht ausgeschlossen sind.

„Wenn den Beschäftigten der arbeitsrechtliche Schutz verweigert wird, dann führt dies zu einer unsichtbaren Arbeitnehmerschaft, für die sich weder der Staat noch die Unternehmen verantwortlich fühlen, wovon besonders Wanderarbeitskräfte, Hausangestellte und befristet Beschäftigte betroffen sind. In zu vielen Ländern werden grundlegende demokratische Rechte durch wirtschaftliche Interessen untergraben“, so IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow.

Der Globale Rechtsindex des IGB 2017 bewertet 139 Länder anhand von 97 international anerkannten Indikatoren, um festzustellen, wo die Arbeitnehmerrechte sowohl in der Gesetzgebung als auch in der Praxis am besten geschützt werden.

Einige Schlüsselergebnisse des Berichtes:

  • In 84 Ländern sind Beschäftigte vom Arbeitsrecht ausgeschlossen.
  • In mehr als drei Vierteln der Länder wird einigen oder allen Beschäftigten das Streikrecht verweigert.
  • In mehr als drei Vierteln der Länder werden einigen oder allen Beschäftigten Tarifverhandlungen verweigert.
  • Von den 139 untersuchten Ländern verweigern oder beschränken 50 die Rede- und Versammlungsfreiheit.
  • Die Zahl der Länder, in denen die Beschäftigten körperlicher Gewalt und Drohungen ausgesetzt sind, hat sich um 10 Prozent erhöht (von 52 auf 59). Zu den betroffenen Ländern zählen u.a. Kolumbien, Ägypten, Guatemala, Indonesien und die Ukraine.
  • In mindestens 11 Ländern wurden Gewerkschafter/innen ermordet, wie etwa in Bangladesch, Brasilien, Kolumbien, Guatemala, Honduras, Italien, Mauretanien, Mexiko, Peru, den Philippinen und Venezuela.

„Wir brauchen uns nur diese erschreckenden Zahlen anzusehen, um zu verstehen, warum die wirtschaftliche Ungleichheit heute so groß ist wie in der jüngsten Geschichte noch nie. Erwerbstätigen Menschen werden die grundlegenden Rechte verweigert, die es ihnen ermöglichen würden, sich gewerkschaftlich zu organisieren und Tarifverhandlungen zu führen, um zu ihrem gerechten Anteil am Wohlstand zu kommen. In Verbindung mit den zunehmenden Beschränkungen der Redefreiheit schürt dies Populismus und gefährdet die Demokratie selbst“, erklärt Sharan Burrow.

Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen sind laut Index 2017 Bangladesch, Kolumbien, Ägypten, Guatemala, Kasachstan, die Philippinen, Katar, Südkorea, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Die Philippinen, Südkorea und Kasachstan gehören in diesem Jahr erstmals zu den zehn schlimmsten Ländern für erwerbstätige Menschen.

Die schlimmste Region für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer war wieder Nahost/Nordafrika, wo das Kafala-System in den Golfstaaten nach wie vor Millionen Arbeitskräfte versklavt und in Saudi-Arabien grundlegende Arbeitnehmerrechte noch immer vollkommen verweigert werden. In Ländern wie Irak, Libyen, Syrien und Jemen haben Konflikte und der Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit dazu geführt, dass die Arbeitnehmerrechte nicht garantiert sind. Im von Konflikten zerrütteten Jemen wurden 650.000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst mehr als acht Monate lang nicht bezahlt, und in der Privatwirtschaft wurden rund vier Millionen Arbeitsplätze abgebaut, u.a. bei den multinationalen Unternehmen Total, G4S und DNO, so dass die Familien der Betroffenen nun mittellos dastehen. Die andauernde Besatzung Palästinas hat auch zur Folge, dass den dortigen Beschäftigten ihre Rechte verweigert werden und sie keine Möglichkeit haben, menschenwürdige Arbeit zu finden.

Die Lage in Afrika hat sich verschlimmert, wobei Benin, Nigeria und Simbabwe am schlechtesten abschneiden, einschließlich zahlreicher Fälle, in denen Beschäftigte wegen ihrer Teilnahme an legitimen Streiks suspendiert oder entlassen wurden.

Der Internationale Gewerkschaftsbund sammelt bereits seit über 30 Jahren Daten über weltweite Verletzungen des Arbeitnehmerrechtes auf eine Gewerkschaftsmitgliedschaft und auf Tarifverhandlungen. Der Globale Rechtsindex des IGB liefert jetzt zum vierten Mal eine einzigartige und umfassende Übersicht darüber, wie staatliche Gesetze und unternehmerische Praktiken die Situation in den letzten 12 Monaten verschlechtert oder verbessert haben.

In Südkorea sitzt Han Sang-gyun, der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes KCTU, bereits seit 2015 im Gefängnis, weil er während der Kerzenrevolution öffentliche Demonstrationen organisiert hatte, um die Verabschiedung arbeitnehmerfeindlicher Gesetze seitens der mittlerweile abgesetzten Park-Regierung zu verhindern.

In Kasachstan wurden führende Gewerkschaftsvertreter allein deshalb verhaftet, weil sie zum Streik aufgerufen hatten. Auf den Philippinen hat das Klima der Gewalt und der Straffreiheit, das sich unter Präsident Duterte verschärft hat, erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitnehmerrechte gehabt.

Auch in Ländern wie Argentinien, Brasilien, Ecuador und Myanmar haben sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert.

In Argentinien haben die Gewalt und die Repressionen seitens staatlicher und privater Sicherheitsdienste zugenommen. In einem Fall wurden 80 Beschäftigte während eines Streiks für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen verletzt. Die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien waren von erheblicher Ausbeutung der Arbeitskräfte geprägt, und die Arbeitsgesetzänderungen der neuen brasilianischen Regierung im vergangenen Jahr haben zu einer deutlichen Verschlechterung der Arbeitsstandards geführt. In Ecuador wurde führenden Gewerkschaftsvertreter/innen Redeverbot erteilt, und Gewerkschaftsbüros wurden von staatlicher Seite auf den Kopf gestellt und besetzt. Die Probleme in Myanmars Bekleidungsindustrie dauern an, u.a. in Bezug auf lange Arbeitszeiten, niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen. Weiter verschärft wird dies durch ernsthafte arbeitsrechtliche Mängel, die Gewerkschaften die Zulassung extrem erschweren.

„Die Staaten stehen vor der Herausforderung, ihrer Verantwortung nachzukommen und für die Menschen zu regieren und nicht nur im Interesse großer Unternehmen, indem sie Gesetze erlassen, die die internationalen Arbeitsnormen respektieren. Auch unter den schwierigsten Bedingungen werden arbeitende Menschen Gewerkschaften organisieren, und es ist an der Zeit, dass sich die Politiker für sie einsetzen, anstatt ihre Rechte mit Füßen zu treten“, so Sharan Burrow.

Der Globale Rechtsindex des IGB 2017 bewertet die Länder anhand von 97 Indikatoren, und die daraus resultierende Punktzahl entscheidet über ihre Einstufung in eine von sechs Kategorien.

1 Keine regelmäßigen Rechtsverletzungen: 12 Länder, darunter Deutschland und Uruguay
2 Wiederholte Rechtsverletzungen: 21 Länder, darunter Japan und Südafrika
3 Regelmäßige Rechtsverletzungen: 26 Länder, darunter Chile und Polen
4 Systematische Rechtsverletzungen: 34 Länder, darunter Paraguay und Sambia
5 Rechte nicht garantiert: 35 Länder, darunter Ägypten und die Philippinen
5+ Rechte nicht garantiert wegen des Zusammenbruchs der Rechtsstaatlichkeit: 11 Länder, darunter Burundi, Palästina und Syrien.

Hier den Bericht lesen: Globaler Rechtsindex des IGB 2017
Globaler Rechtsindex des IGB: Karte zum Herunterladen
Globaler Rechtsindex des IGB: Infografik zum Herunterladen – Arbeitnehmerrechtsverletzungen
Globaler Rechtsindex des IGB: Infografik zum Herunterladen – Die zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen