Fußball-WM in Katar: Neue Normen für den Arbeitnehmerschutz sind nicht gesetzlich durchsetzbar und garantieren keine Arbeitnehmerrechte

Katars neue Normen zum Schutz der Beschäftigten, die die Infrastruktur und die Einrichtungen für die Fußball-WM bauen, garantieren keine grundlegenden Arbeitnehmerrechte und untermauern lediglich das diskreditierte Kafala-System, durch das die Arbeitgeber völlige Kontrolle über ihre Beschäftigten haben, warnt der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB).

"In Katar wird weiter auf Zwangsarbeit zurückgegriffen, und die Beschäftigten haben keinerlei Rechte. Ein Schutz der Gastarbeiter durch geeignete Sicherheitsstandards ist nur möglich, wenn sie das Recht haben, sich kollektiv zu den Löhnen und Arbeitsbedingungen zu äußern", erklärt Sharan Burrow, die Generalsekretärin des IGB.

Das als "Kafala" bekannte strikte Bürgensystem für die Erteilung eines Visums bedeutet, dass die Beschäftigten ihren Arbeitsplatz nur mit Zustimmung des Arbeitgebers wechseln und das Land nur mit seiner Genehmigung verlassen dürfen. Nach katarischem Gesetz haben ausländische Arbeitskräfte nicht das Recht, Gewerkschaften zu gründen oder beizutreten.

"Es ist keine einzige Änderung an den katarischen Gesetzen, die den Beschäftigten ihre grundlegenden Rechte verweigern, vorgenommen oder vorgeschlagen worden. Ein Mitspracherecht oder eine Vertretung bei der Arbeit ist für Wanderarbeitskräfte in Katar nicht vorgesehen. Ein vom Arbeitgeber ernannter Schutzbeauftragter ist kein Ersatz für eine ordnungsgemäß bestimmte Arbeitnehmervertretung.

"Das Versprechen, den Beschäftigten Freizügigkeit zu gestatten, ist reine Augenwischerei, da auf Katars Arbeitsmarkt Rassentrennung herrscht.
Diese Normen basieren auf einem alten, in Misskredit geratenen Selbstüberwachungssystem, das bereits in Bangladesch und anderen Ländern versagt hat, in denen Tausende Beschäftigte ums Leben gekommen sind.

Ohne ein Rechtsverfahren, das für die Einhaltung sorgt, wie etwa ein Gericht, gibt es keine Möglichkeit, selbst diese Bestimmungen in Kraft zu setzen", so Sharan Burrow.

Die Arbeitnehmerschutz-Charta des Katar-2022-Organisationskomitees:

• geht von Arbeitskräften aus, die weder lesen noch schreiben können und Dokumente mit ihrem Daumenabdruck unterschreiben;
• sieht einen Sozialarbeiter für 3500 Beschäftigte vor, der höchstens 41 Sekunden pro Woche für jeden Einzelnen Zeit hätte;
• sieht die Einrichtung einer Telefonhotline für Beschwerden von Arbeitern vor, ohne Angaben dazu, wer die Anrufe beantworten oder wie mit den Beschwerden umgegangen würde, wobei sich die bereits vorhandene Hotline als völlig nutzlos erwiesen hat;
• würde bedeuten, dass Arbeitslager in einer Größenordnung von insgesamt 8 Millionen Quadratmetern für die 500.000 zusätzlichen Beschäftigten für die Fußball-WM benötigt werden;
• sieht kein System für die Dokumentation von Todesfällen bei der Arbeit oder die Gewährleistung von Autopsien vor;
• empfiehlt vom Arbeitsministerium gebilligte Vermittlungsagenturen, die routinemäßig Gebühren verlangen, obwohl dies gesetzlich verboten ist;
• geht hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in keiner Weise auf ‘Hitze’ ein, in einem Land, in dem die Beschäftigten während der Hälfte des Jahres bei Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius schuften;
• deutet nicht auf die Absicht hin, die Auftragsunternehmen für die Nichteinhaltung der Normen zu belangen, während die Beschäftigten schlichtweg wieder in ihre Heimatländer geschickt werden;
• gilt nur für eine begrenzte Zahl von Beschäftigten in Katar.

"Wenn die FIFA ernsthaft an Katar als Austragungsort der Fußball-WM 2022 festhalten will, dann wird sie wirkliche Vereinigungsfreiheit fordern, damit die Beschäftigten ihre Vertreter selbst bestimmen können.

Sie wird sofortige Maßnahmen zur Beendigung des Kafala-Systems fordern, sofortige Maßnahmen zur Berechtigung der Beschäftigten, über ihre Löhne und Arbeitsbedingungen zu verhandeln, und sie wird die Einführung eines wirksamen gerichtlichen Verfahrens für die Behandlung von Beschwerden fordern", kommentiert Sharan Burrow.

"Diese Charta ist reine Augenwischerei für die Beschäftigten. Sie verspricht Gesundheit und Sicherheit, sieht jedoch keine glaubwürdige Inkraftsetzung vor. Sie verspricht Beschäftigungsnormen, gesteht den ausländischen Beschäftigten jedoch keinerlei Rechte zu, Tarifverhandlungen zu führen oder einer Gewerkschaft beizutreten. Sie verspricht Gleichstellung, garantiert aber keinen Mindestlohn.

Auf diese Weise werden ungesetzliche Praktiken fortbestehen und die mit dem Kafala-System verbundene Zwangsarbeit wird dadurch noch untermauert. Katar reagiert mit dieser Charta auf den Druck der Öffentlichkeit, aber der Druck auf die Beschäftigten wird dadurch nicht geringer.

Von der Qatar Foundation vor knapp einem Jahr bekannt gegebene ähnliche Maßnahmen haben nichts bewirkt. Im Gegenteil, die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle in Katar ist gestiegen. Katar muss seine Gesetze ändern. Anders geht es nicht", erklärt Sharan Burrow.