Globaler Rechtsindex des IGB 2023: Arbeitnehmerrechte seit zehn Jahren unter Beschuss

Die zehnte Ausgabe des maßgeblichen Globalen Rechtsindex macht deutlich, dass die globale Lebenshaltungskostenkrise in jeder Region der Welt mit erheblichen Verletzungen der Rechte arbeitender Menschen einhergegangen ist.

Von Eswatini bis Myanmar, Peru bis Frankreich, Iran bis Korea, überall wurden Arbeitnehmerforderungen nach der Wahrung ihrer Rechte bei der Arbeit ignoriert und Proteste von staatlicher Seite aus mit zunehmender Brutalität erwidert.

Die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen sind im Jahr 2023 Ägypten, Bangladesch, Belarus, Ecuador, Eswatini, Guatemala, Myanmar, Tunesien, die Philippinen und die Türkei.

Aus dem Index 2023 geht hervor, dass die festgestellten Arbeitnehmerrechtsverletzungen Rekordhöhen erreicht haben. Der vom Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) veröffentlichte Globale Rechtsindex ist hier abrufbar. Er dokumentiert Rechtsverstöße und nationale Ratings, die nach Ländern und Regionen betrachtet werden können.

Der Index liefert eine umfassende Übersicht über Arbeitnehmerrechte in der Gesetzgebung von 149 Ländern, einschließlich deren Ranking, und damit die einzige Datenbank ihrer Art.

Rechtsverletzungen auf neuem Höchststand wurden u.a. in folgenden Bereichen verzeichnet:

  • 9 von 10 Ländern haben das Streikrecht verletzt. In Kanada, Togo, Iran, Kambodscha und Spanien wurden arbeitende Menschen aufgrund von Streiks strafrechtlich belangt oder entlassen.
  • 77% der Länder haben Beschäftigte vom Recht auf die Gründung von oder den Beitritt zu Gewerkschaften ausgeschlossen. Wanderarbeitskräften, Hausangestellten, Zeitarbeitskräften, Beschäftigten in der informellen Wirtschaft, von Plattformunternehmen und in Sonderwirtschaftszonen wurde das Recht auf Vereinigungsfreiheit verweigert. Burundi, Haiti, Indien, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate gehörten zu den Ländern, in denen Beschäftigte von einer Gewerkschaftsvertretung ausgeschlossen waren.
  • Das Recht auf Rede- und Versammlungsfreiheit wurde in 42% der Länder eingeschränkt, und protestierende Beschäftigte wurden von der Polizei häufig brutal angegriffen. In Frankreich wurden rechtmäßige Proteste von der Polizei mit Gewalt, willkürlichen Festnahmen und Tränengas erwidert. Im Iran wurden Lehrkräfte wegen ihrer Teilnahme an den landesweiten Demonstrationen am 1. Mai festgenommen und von der Polizei verprügelt.

Weitere wichtige Ergebnisse sind:

  • 8 von 10 Ländern haben das Tarifverhandlungsrecht verletzt. In den Niederlanden, in Nordmazedonien, Simbabwe, Honduras, Indonesien, Montenegro und Serbien wurde das Recht der Beschäftigten auf Tarifverhandlungen erheblich eingeschränkt.
  • 73% der Länder haben die Zulassung von Gewerkschaften behindert oder Gewerkschaften verboten, darunter Belarus, Myanmar, Hongkong, die Zentralafrikanische Republik und Guatemala.
  • In 69 Ländern wurden Beschäftigte festgenommen und inhaftiert, wobei in Myanmar, Hongkong, der Dominikanischen Republik, Indien und der Türkei prominente führende Gewerkschaftsvertreter*innen ins Visier genommen wurden.
  • In 65% der Länder hatten Beschäftigte keinen oder eingeschränkten Zugang zur Justiz. In Simbabwe, China und Kasachstan wurden führende Gewerkschaftsvertreter*innen und Arbeitnehmerrechtsverfechter*innen aus fadenscheinigen Gründen angeklagt, und ihre Gerichtsverfahren waren vielfach von Unregelmäßigkeiten geprägt.

“Der Globale Rechtsindex des IGB 2023 liefert erschreckende Beweise dafür, dass die Grundlagen der Demokratie unter Beschuss geraten sind. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen der Wahrung der Arbeitnehmerrechte und der Stärke einer Demokratie. Die Untergrabung des einen führt zur Verschlechterung des anderen“, erklärt Luc Triangle, der geschäftsführende Generalsekretär des IGB.

“Dies ist die 10. Ausgabe des Index, und die Ergebnisse des Jahres 2023 machen deutlich, wie dringend er gebraucht wird. Während die Beschäftigten unter einer historischen Lebenshaltungskostenkrise und einer galoppierenden Inflation zu leiden hatten, angetrieben durch unternehmerische Profitgier, wurde ihr Recht auf kollektive Verhandlungen über Lohnerhöhungen und auf Streik in Ländern sowohl mit hohem als auch mit niedrigem Einkommen drastisch beschnitten.

Von Eswatini bis Myanmar, Peru bis Frankreich, Iran bis Korea, überall wurden Arbeitnehmerforderungen nach der Wahrung ihrer Rechte bei der Arbeit von Arbeitgebern abgelehnt und von Regierungen ignoriert, und ihre Proteste wurden von staatlicher Seite aus mit zunehmender Brutalität erwidert.”

Diese Grafik macht die erschreckende Zunahme der weltweiten Arbeitnehmerrechtsverletzungen in den letzten zehn Jahren deutlich:

  • Die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen sind im Jahr 2023 Ägypten, Bangladesch, Belarus, Ecuador, Eswatini, Guatemala, Myanmar, Tunesien, die Philippinen und die Türkei.
  • Ecuador und Tunesien sind Neuzugänge. In Ecuador wurden von Organisationen der indigenen Völker und Gewerkschaften organisierte Massenproteste zur Forderung nach Demokratie und kollektiven Rechten brutal unterbunden. In Tunesien hat Präsident Kais Saied die bürgerlichen Freiheiten der Beschäftigten und demokratische Institutionen untergraben.
  • Australien, Chile und Côte d’Ivoire konnten ihr Rating gegenüber dem Vorjahr verbessern, während die Republik Kongo, El Salvador, Haiti, Liberia, Montenegro, Namibia, Nordmazedonien, Togo und das Vereinigte Königreich alle ein schlechteres Rating erhalten haben.
  • In 44 Ländern waren arbeitende Menschen Gewalt ausgesetzt, u.a. in Bangladesch, den Philippinen und im Libanon. In der Region Asien/Pazifik war ein Anstieg der Fälle von Gewalt gegenüber arbeitenden Menschen zu verzeichnen, von 43% der Länder im Jahr 2022 auf 48% im Jahr 2023, und in der Region Nahost/Nordafrika von 42% auf 53%.
  • In acht Ländern wurden Gewerkschafter*innen ermordet, 42% der Länder haben die Rede- und Versammlungsfreiheit verweigert oder eingeschränkt, in 46% der Länder wurden Beschäftigte willkürlich festgenommen und inhaftiert, und 65% der Länder haben den Zugang erwerbstätiger Menschen zur Justiz verweigert oder beschränkt.

Luc Triangle ergänzt: “Die Grenze zwischen Autokratien und Demokratien verschwimmt. Wenn der Dialog zwischen dem Staat und der Bevölkerung abreißt, wenn Staaten mit der Autokratie flirten, um unpopuläre Gesetze durchzudrücken, und wenn Regierungen staatliche Sicherheitskräfte einsetzen, um rechtmäßigen Widerstand zu unterbinden, dann steht die Demokratie auf dem Spiel und arbeitende Menschen haben unter den Folgen zu leiden.

Um unsere Gesellschaftsstruktur zu stärkten, die Demokratie zu erneuern und zu verankern und arbeitende Menschen zu unterstützen, brauchen wir einen neuen Sozialvertrag: menschenwürdige Arbeitsplätze, gerechte Löhne, Sozialschutz, grundlegende Rechte, einschließlich sicherer und gefahrenfreier Arbeit und Garantien für Gleichstellung und Inklusion.

Das Vertrauen in Regierungen ist erschüttert, und die extreme Rechte springt in die Bresche, um Zwietracht zu säen und grundlegende Freiheiten weiter in Frage zu stellen. Nur mit einem neuen Sozialvertrag kann das Vertrauen wiederhergestellt und dafür gesorgt werden, dass unsere Demokratien imstande sind, den heutigen Bedürfnissen arbeitender Menschen und den Anforderungen einer ungewissen Zukunft gerecht zu werden. Einer Zukunft, in der die Klimakrise, der technologische Wandel, Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit und geopolitische Instabilität für weitere Schocks sorgen werden.

Arbeitende Menschen müssen gehört werden und im Mittelpunkt staatlicher Entscheidungen stehen. Um dies zu fordern und zu untermauern, sind Gewerkschaften wichtiger denn je.”

Webinar

Der IGB organisiert am Freitag, 30. Juni, um 14:00 Uhr MESZ ein Webinar zum Globalen Rechtsindex 2023. Das Webinar umfasst:

  1. Die Stimmen von Gewerkschafter*innen aus einigen der schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen
  2. Einen Überblick über den Globalen Rechtsindex 2023 und Zehnjahrestrenddaten
  3. Die Möglichkeit, denjenigen beim IGB Fragen zu stellen, die den Index erstellen

Eine Verdolmetschung wird für die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch angeboten. Eine vorherige Anmeldung über diesen Link ist erforderlich.