Globaler Rechtsindex des IGB 2020: Arbeitnehmerrechtsverletzungen auf Siebenjahreshöchststand

photo: Paulo Slachevsky / @pslachevsky Flickr

Der Globale Rechtsindex des IGB 2020 macht den Zerfall des Gesellschafts- oder Sozialvertrages und Arbeitnehmerrechtsverletzungen auf einem neuen Siebenjahreshöchststand deutlich.

Die Tendenz aufseiten von Regierungen und Arbeitgebern, die Rechte arbeitender Menschen durch Verletzungen des Rechtes auf Tarifverhandlungen und des Streikrechtes einzuschränken und Beschäftigte von einem Gewerkschaftsbeitritt auszuschließen, wurde noch verschärft, da immer mehr Länder die Zulassung von Gewerkschaften behindern.

Die zunehmende Zahl von Ländern, die die Redefreiheit verweigern oder einschränken, zeigt, wie fragil Demokratien sind, und die Zahl der Länder, die den Zugang zur Justiz einschränken, ist noch genauso inakzeptabel hoch wie im letzten Jahr.

Ein 2020 festgestellter skandalöser neuer Trend besteht darin, führende Gewerkschaftsvertreter*innen von staatlicher Seite aus zu überwachen, um Angst zu schüren und unabhängige Gewerkschaften und deren Mitglieder unter Druck zu setzen.

IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow merkt an: “Diese Gefahren für Arbeitnehmer*innen, unsere Volkswirtschaften und die Demokratie waren an Arbeitsplätzen und in Ländern bereits endemisch, bevor die Covid-19-Pandemie unser Leben und unsere Lebensgrundlagen beeinträchtigt hat. In vielen Ländern haben die Unterdrückung von Gewerkschaften und die Verweigerung von Rechten und des sozialen Dialogs von staatlicher Seite aus dazu geführt, dass arbeitende Menschen Krankheit und Tod ausgesetzt und Länder nicht in der Lage sind, die Pandemie wirksam zu bekämpfen. ”

“Mit Blick auf die Erholung und den Wiederaufbau robuster Volkswirtschaften dient der Globale Rechtsindex des IGB 2020 als Maßstab, um Regierungen und Arbeitgeber zur Verantwortung zu ziehen. ”

“Und als ob die Index-Ergebnisse nicht schon erschreckend genug wären, erleben wir bereits, wie manche Länder noch einen Schritt weiter gehen. Unter dem Deckmantel von Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie treiben sie ihre arbeitnehmerrechtsfeindliche Agenda voran. Das muss nicht nur aufhören, sondern rückgängig gemacht werden.”

“Der Globale Rechtsindex macht den Zerfall des Sozialvertrages zwischen Regierungen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern deutlich. Es ist ein Trend zu beobachten, der darauf abzielt, die Arbeitnehmerrechte dadurch zu beschränken, dass der Tarifprozess untergraben, das Streikrecht verweigert und Beschäftigten ein Gewerkschaftsbeitritt vorenthalten wird.”

“Der Rechtsindex listet nicht nur Rechtsverletzungen auf. Er zeichnet ein krasses Bild der Rechtsdefizite, die wir korrigieren müssen, wenn wir das neue Wirtschaftsmodell schaffen, das die Welt braucht, während sie sich von der Covid-19-Pandemie erholt. Es muss eine robuste globale Wirtschaft sein, gestützt auf einen neuen Sozialvertrag: eine neue Verpflichtung zu Arbeitnehmerrechten, erneuten Investitionen in die Einhaltung der Regeln und rechtsstaatliche Verfahren sowie eine Grundlage für Demokratie am Arbeitsplatz.”

Nahost/Nordafrika ist zum siebten Mal in Folge die schlimmste Region der Welt für arbeitende Menschen, was auf die anhaltende Unsicherheit und Konflikten in Palästina, Syrien, Jemen und Libyen sowie auf die Tatsache zurückgeht, dass dies die rückschrittlichste Region in Sachen Arbeitnehmervertretung und Gewerkschaftsrechte ist.

Die zehn schlimmsten Länder für erwerbstätige Menschen sind im Jahr 2020 Ägypten, Bangladesch, Brasilien, Honduras, Indien, Kasachstan, Kolumbien, die Philippinen, die Türkei und Simbabwe.

Die siebte Ausgabe des Globalen Rechtsindex des IGB bewertet 144 Länder anhand ihrer jeweiligen Einhaltung der Arbeitnehmerrechte. Einige Schlüsselergebnisse des Berichtes:

  • 85 Prozent der Länder haben das Streikrecht verletzt.
  • 80 Prozent der Länder haben das Tarifverhandlungsrecht verletzt.
  • Die Zahl der Länder, in denen die Zulassung von Gewerkschaften behindert wurde, hat sich erhöht.
  • Ägypten, Honduras und Indien zählen zum ersten Mal zu den zehn schlimmsten Ländern.
  • Die Zahl der Länder, in denen die Redefreiheit verweigert oder eingeschränkt wurde, hat sich von 54 im Jahr 2019 auf 56 im Jahr 2020 erhöht.
  • In 51 Ländern waren Beschäftigte Gewalt ausgesetzt.
  • In 72 Prozent der Länder hatten Beschäftigte keinen oder eingeschränkten Zugang zur Justiz.
  • In 61 Ländern wurden Beschäftigte willkürlich verhaftet und inhaftiert.

ENDE

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