G20-Finanzminister: Internationale Gewerkschaften warnen vor Selbstgefälligkeit und fragen, wo die Arbeitsplätze sind

"Die Finanzminister der G20 müssen über die Komfortzone der Wall Street und der Londoner City hinausblicken und sich der Realität stellen, dass Millionen Menschen nach wie vor ihren Arbeitsplatz verlieren und jetzt unter weiteren Sparmaßnahmen zu leiden haben, während die Profite genau den Banken und Finanzhändlern zufließen, die die globale Krise überhaupt erst verursacht haben. Die Weltwirtschaft ist noch nicht über den Berg, und die von vielen G20-Finanzministern angekündigten öffentlichen Ausgabenkürzungen haben die Gefahr einer tieferen Rezession in der Tat weiter erhöht. Die von der G20 in London und Pittsburgh gemachte Zusage, die Beschäftigung in den Mittelpunkt der Entscheidungsprozesse zu rücken, ist bisher nicht eingehalten worden. Beim G20-Gipfel im nächsten Monat in Seoul müssen Arbeitsplätze wieder auf der Tagesordnung stehen", kommentierte IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow.

Während in der Abschlusserklärung der Finanzministertagung im südkoreanischen Gyeongju von der Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit und abgestimmter Reaktionen auf die Krise gesprochen wird, gibt es kaum Anhaltspunkte dafür, dass die Regierungen tatsächlich zusammenarbeiten, außer bei der Bekräftigung ihrer offensichtlichen Entschlossenheit, eine "Haushaltskonsolidierung" herbeizuführen, um die Finanzmärkte zu besänftigen, anstatt sich um ein globales Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu bemühen.

Der Vorschlag der US-Regierung, Grenzwerte sowohl für Handelsüberschüsse als auch für
- defizite festzulegen, wurde in der Ministererklärung verwässert und wird somit in Seoul erneut beraten werden müssen. "Wie immer das Verfahren auch aussehen mag, ein ausgewogeneres globales Wachstum und ein damit einhergehender Rückgang der Arbeitslosigkeit muss durch eine schnellere Erhöhung der Nachfrage in den Überschussländern erreicht werden – und nicht nur durch Anpassungsmaßnahmen in den Defizitländern", so Burrow.

Die Minister haben sich zudem auf den "Abschluss der Finanzmarktreformen ohne weitere Verzögerungen" verständigt, was von den Gewerkschaften allerdings mit der Begründung angezweifelt wird, dass mit den dazu erforderlichen Maßnahmen gerade erst begonnen wurde. Darüber hinaus gibt ihr Verweis auf die "Bedeutung einer Partnerschaft zwischen Regierungen und Unternehmen bei der Förderung des Wirtschaftswachstums über die Krise hinaus" Anlass zu der Besorgnis, dass die Geschäftswelt übermäßigen Einfluss auf die globale Agenda nehmen könnte.

"Die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen bei der Planung der Konjunkturerholung im Mittelpunkt stehen, aber die Regierungen scheinen die Gestaltung der Strukturpolitik über die Gruppe der B100 der Unternehmenslobby zu überlassen, die ihre eigenen Interessen vertritt und nicht die der Bevölkerung allgemein. Die G20 sollte eine breit angelegte Arbeitsgruppe zum Thema Arbeitsplätze einrichten und darin alle Sozialpartner einbeziehen, anstatt ein enges Verhältnis zu Unternehmenseliten aufzubauen, durch das sie im Schnellverfahren auf genau die Art von Arbeitsmarktderegulierung drängen können, die zu den zunehmenden Ungleichheiten vor der Krise geführt hat", erklärte John Evans, der Generalsekretär des Gewerkschaftlichen Beratungsausschusses bei der OECD.

Die Zusage, den Einfluss der Entwicklungsländer auf die Entscheidungsprozesse des Internationalen Währungsfonds zu vergrößern, wird von den Gewerkschaften begrüßt. Allerdings bedeutet der beabsichtigte Abschluss dieses Prozesses im Januar 2014, dass das bisherige Übergewicht der Industrieländer noch mindestens drei Jahre erhalten bleibt. Der Verweis der Minister auf die Unterstützung einer "Strukturreform" durch den IWF gibt Anlass zu erheblicher Besorgnis, da dies stets mit einer weiteren Schwächung der Arbeitsgesetze in Verbindung gebracht wurde, wie etwa im Falle der umfassenden Deregulierung, auf die der IWF gegenwärtig in Rumänien drängt.

Die Verpflichtung der Minister zur Förderung eines allen zugutekommenden nachhaltigen Wirtschaftswachstums sowie von Stabilität in den Entwicklungsländern wäre zu begrüßen, wenn dieses Wachstum auf der Grundlage menschenwürdiger Arbeit und zum Wohl arbeitender Menschen erfolgte, aber eine Erhöhung der Entwicklungshilfe wurde in diesem Zuge nicht zugesagt. Und obwohl man sich bei dem Treffen auf ein Globales Landwirtschafts- und Ernährungssicherheitsprogramm verständigte, wurde nichts unternommen, um Lebensmittelpreisspekulationen zu beenden, eine der Hauptursachen für die jüngste globale Ernährungskrise.

Positiv zu vermerken sind hingegen die zugesagte Rationalisierung und allmähliche Einstellung ineffizienter Subventionen fossiler Brennstoffe sowie die angekündigte Förderung der Transparenz und Stabilität der Energiemärkte, woraus zumindest hervorgeht, dass der Klimawandel noch auf der G20-Agenda steht.

Eine hochrangige internationale Gewerkschaftsdelegation wird bei Zusammenkünften mit den Spitzen der G20 bei ihrem Gipfel im nächsten Monat in Seoul diese und andere Schlüsselfragen ansprechen.