Im Vorfeld des G20 Arbeitsministertreffens: Weltweite Umfrage des Internationalen Gewerkschaftsbundes attestiert globales Führungsversagen im Amt

Die seitens des 181 Millionen Mitglieder starken Internationalen Gewerkschaftsbunds jährlich in Auftrag gegebene weltweite Umfrage macht deutlich, das Konzept „Globalisierung” geht für die Menschen nicht auf.

Laut den Ergebnissen der Umfrage machen sich 73 Prozent der Menschen Sorgen um ihren Arbeitsplatz und 80 Prozent geben an, der Mindestlohn reiche nicht zum Leben. Die Hälfte der Bevölkerung in dreizehn der G20-Länder bewertet die wirtschaftliche Situation in ihrem jeweiligen Land als schlecht.

„Zu viele Regierungen haben den Wohlstand der Menschen der Gier der Unternehmen geopfert, indem sie niedrige Löhne und unsichere Arbeitsplätze akzeptiert haben. Die Regeln der globalen Wirtschaft wurden verzerrt, um die Interessen der reichsten 1 % sowie der Unternehmen über die der arbeitenden Bevölkerung zu stellen – und dieses Ungleichgewicht der Kräfte schürt Misstrauen gegen Regierungen”, erklärt Sharan Burrow, Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB).

Die vom IGB beauftragte Umfrage wurde vom Marktforschungsunternehmen Kantar Public in sechzehn Ländern durchgeführt, die insgesamt 53 % der Weltbevölkerung stellen.

Die Umfrage, die im Rahmen des Labour 20 Dialogs in Berlin und somit im Vorfeld des G20 Arbeitsministertreffens vorgestellt wurde, zeige, so Sharan Burrow, wie Globalisierung und Vernetzung, gekoppelt mit exponentiellem technologischem Fortschritt und immenser Innovationskraft, einerseits zu unglaublichem Wohlstand geführt, andererseits jedoch zu viele Menschen auf der Strecke gelassen habe – an den Rand gedrängt und voller Angst vor einer unsicheren Zukunft.

Die Ergebnisse der Umfrage, die im März in Argentinien, Belgien, Brasilien, China, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Guatemala, Indien, Japan, Kanada, Russland, Südafrika, Südkorea, den USA und dem Vereinigten Königreich durchgeführt wurde, mahnen, dass die Regierungen sich quasi vollständig aus ihrer Verantwortung für Investitionen in Arbeitsplätze oder der Bekämpfung von Ungleichheit und Klimazerstörung, die zu massiver Unsicherheit führen, gezogen haben.

• Knapp 3 von 4 der Befragten (74 %) sind besorgt angesichts der immer weiter aufklappenden Schere zwischen dem reichsten 1 % und dem Rest der Bevölkerung.
• 73 Prozent haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
• 66 Prozent sind besorgt über den Klimawandel.

Mehr als 7 von 10 (71 %) sind der Meinung, dass die arbeitende Bevölkerung nicht genügend Einfluss auf die Spielregeln der globalen Wirtschaft besitzt. Alarmierende 80 % der Menschen sagen, das Wirtschaftssystem bevorzuge die Reichen, anstatt den Großteil der Menschen fair zu behandeln.

Die Umfrage legt ein hohes Maß an Verunsicherung hinsichtlich Familieneinkommen und Arbeitsplatzsicherheit an den Tag.

• Ebenfalls 80 % sind nicht der Ansicht, der Mindestlohn in ihrem Land sei ausreichend für ein menschenwürdiges Leben.
• Gleichzeitig ist das Einkommen von 80 % seit einiger Zeit rückläufig oder stagnierend.
• Bei nahezu jedem Zweiten (49 %) reicht das Geld nicht einmal für das Nötigste, so dass sie kaum über die Runden kommen.
• Annähernd 4 von 10 (38 %) mussten im Laufe der vergangenen zwei Jahre selbst erfahren, was Arbeitslosigkeit oder Arbeitszeitkürzung bedeutet.

„Chancen, nachhaltige Wirtschaftssysteme auf- und auszubauen, die sozialen Schutz, sichere Arbeitsplätze und menschenwürdige Einkommen bieten, gibt es – doch hier ist dringendes koordiniertes Handeln der G20 erforderlich. Das weltweit vorherrschende Wirtschaftsmodell der Lieferkette ist ein Modell der Nutzung von Lohnkostenvorteilen.

Wenn 85 Prozent der Menschen sagen, es ist Zeit, die Regeln der Weltwirtschaft neu zu schreiben, um Wachstum zu fördern und Wohlstand zu teilen, sollten die G20 den Mut und das Zutrauen haben, die Dinge anzupacken – in dem Wissen, dass sie die Unterstützung ihrer Wähler genießen”, wie Burrow betont.

Die Umfrage belegt klar die Erwartung an die Regierungen, aktiv zu werden und Maßnahmen zu ergreifen:

• 71 % sind der Meinung, Regierungen sollten auf eine Lohnerhöhung für Arbeitnehmer hinarbeiten.
• 77 % sagen, Regierungen sollten mehr tun, um sicherzustellen, dass Unternehmen ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen.
• 71 % fordern, Regierungen sollten neue Regeln für multinationale Konzerne aufstellen, um der Ausbeutung von Arbeitnehmern entlang ihrer Lieferketten ein Ende zu setzen.

„Die Welt braucht eine Lohnerhöhung, um Jahrzehnte des Lohndiebstahls auszugleichen und Wachstum zu generieren. Untätigkeit bedeutet nicht nur, der arbeitenden Bevölkerung dieser Welt soziale Gerechtigkeit zu verweigern – die wachsende Verzweiflung stellt auch eine Bedrohung für Frieden, Demokratie und die Sicherheit eines jeden Einzelnen dar. Die Zusagen vorangegangener G20-Gipfel – Investitionen in Arbeitsplätze, Reduzierung des Missverhältnisses zwischen Anteil an der Produktivität und Anteil am Arbeitseinkommen, stärkere Beteiligung von Frauen und jungen Menschen am Arbeitsleben, die Formalisierung informeller Arbeit und die Gewährleistung von Rechten innerhalb globaler Lieferketten – müssen endlich umgesetzt werden", mahnt Burrow.

Die deutsche G20-Präsidentschaft hat realisiert, dass die Digitalisierung exponentiell zunimmt und menschenwürdige Arbeit – trotz neuer Chancen – durch das Fehlen von entsprechenden Arbeitnehmerrechten und Beschäftigungsschutz immer stärker gefährdet wird.

„Die Menschen haben keine Angst vor Technologie – sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze. 85 Prozent glauben, neue Technologien werden die Arbeit erleichtern. Wenn jedoch gleichzeitig 64 Prozent der Menschen von ihrer Regierung fordern, die digitale Wirtschaft zu regulieren, um Beschäftigung und Arbeitnehmerrechte zu fördern, dann haben Regierungen einen klaren Auftrag zum Handeln”, bekräftigt Burrow noch einmal.

Der IGB wird die Ergebnisse seiner weltweiten Umfrage 2017 am 16./17. Mai in Berlin vorstellen, genauer im Rahmen des Labour 20 Dialog Forums, an dem im Vorfeld des G20 Arbeitsministertreffens, das am 18./19. Mai in Bad Neuenahr stattfindet, auch Kanzlerin Angela Merkel teilnehmen wird.

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Kontakt Gemma Swart +32 479 06 41 63, [email protected] für Interviews mit Sharan Burrow, Generalsekretärin, IGB.

Die Ergebnisse der weltweiten IGB-Umfrage sind repräsentativ für die Meinung von 53 Prozent der Weltbevölkerung. Kantar Public führte die Umfrage vom 20. Februar bis zum 6. März 2917 online durch. Befragt wurden etwa 1.000 Menschen pro Land (500 in Guatemala); insgesamt wurden 15.728 Antworten eingereicht.