IWF-Orthodoxie

Dieses Dokument gibt einen Überblick über die Standpunkte des IWF in Bezug auf die Löhne und Arbeitsbedingungen in vier europäischen Ländern, auf die die Regierungen ihre gegenwärtigen Angriffe auf die Arbeitnehmerrechte stützen.

Griechenland

Juli 2011
IWF-Länderbericht Nr. 11/175
Griechenland: Vierte Überprüfung im Rahmen der Bereitschaftskreditvereinbarung und Antrag auf Modifizierung und Verzicht auf die Anwendung der Leistungskriterien

"Die Lohnsumme im öffentlichen Dienst Griechenlands (13 Prozent des BIP im Jahr 2009) ist an verschiedenen Normen gemessen hoch. Sie ist höher als der Durchschnitt im Euroraum (10,5 Prozent des BIP von 1995–2009) und höher als sie hätte sein sollen, wenn sie sich im Einklang mit dem potenziellen BIP (d.h. Abstraktion der konjunkturellen Entwicklungen) oder entsprechend der Preisentwicklung in den Ländern des Euroraums entwickelt hätte (d.h. wenn es keine wirkliche Abwertung und keinen Wettbewerbsverlust gegeben hätte), nachdem der Euro eingeführt wurde. Diese makroökonomischen Normen deuten zudem darauf hin, dass die Lohnsumme im öffentlichen Dienst Griechenlands bei 9-10 Prozent des BIP liegen sollte, in etwa wie vor der Einführung des Euro, aber niedriger als der OECD-Durchschnitt (11 Prozent des BIP, 2009)."

"Die Beschäftigung im öffentlichen Dienst würde bis 2015 um rund 20 Prozent zurückgehen, durch weniger feste Verträge (0,2 Prozent des BIP), Nichtersatz von Personal (0,1 Prozent des BIP) und unfreiwillige Entlassungen (0,1 Prozent des BIP, zusätzlich zu Entlassungen aufgrund der Schließung öffentlicher Einrichtungen, s. unten). Die Pläne würden die Lohnsumme im öffentlichen Dienst und den Anteil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst an der Erwerbsbevölkerung unter den OECD-Durchschnitt (14,4 Prozent, 2005) bringen."

"Griechenland könnte von der gleichzeitigen Durchführung von Produkt- und Arbeitsmarkreformen profitieren. Die Deregulierung der Produktmärkte regt intuitiv den Wettbewerb an und erhöht die Nachfrageelastizität nach Arbeit, wodurch die Auswirkungen der Arbeitsmarktderegulierung auf die Beschäftigung und die Gesamtproduktion verstärkt werden. … Lohnmäßigung in der Wirtschaft — die angesichts der großen Wettbewerbsfähigkeitslücke Griechenlands wichtig ist — erfordert sowohl Reformen der privaten Arbeitsmärkte als auch fiskalpolitische Reformen zur Verringerung der Lohnsumme im öffentlichen Dienst."

"Ausgewählte ausstehende Strukturreformen:
- Befristete Verträge, Arbeitszeitmanagement und spezielle Verträge für Jugendliche Q2/2011: Neue Gesetzesänderungen werden es einzelnen Beschäftigten ermöglichen, über längere Zeit hinweg länger zu arbeiten, bei weiniger Überstundenbezahlung. Sie werden die Abfindungen im Falle von befristeten Verträgen senken und genau festlegen, wie häufig diese Art von Verträgen verlängert werden kann. Sie werden zudem die Einführung von speziellen Verträgen für Jugendliche ermöglichen, damit sie für unter dem Minimum liegende Löhne Arbeitserfahrungen sammeln können."

Rumänien

Juli 2010
IWF-Länderbericht Nr. 10/227
Rumänien—Stabsbericht für die Artikel-IV-Konsultationen 2010, Vierte Überprüfung im Rahmen der Bereitschaftskreditvereinbarung und Antrag auf Modifizierung und Verzicht bei Nichteinhaltung der Leistungskriterien —Stabsbericht

"Die Verbesserung des rumänischen Geschäftsklimas würde das Wachstumspotenzial des Landes verbessern. Rumänien liegt in Bezug auf die Qualität des Geschäftsklimas hinter anderen EU-Mitgliedsstaaten zurück. Das ergibt sich aus Indikatoren für vermeintliche Korruption (Transparency International), geschäftsfreundliches Umfeld (Weltbank) bzw. Wettbewerbsfähigkeit (Weltwirtschaftsforum). Der jüngste Bericht der EU über das rumänische Geschäftsklima dokumentiert gemischte Ergebnisse, während Rumänien auf der Liste der Weltbank für ein geschäftsfreundliches Umfeld im vergangenen Jahr zehn Plätze abgerutscht ist. Spielraum für Verbesserungen ist in Rumänien vor allem bezüglich einer Vereinfachung des Steuersystems, der Inkraftsetzung von Verträgen und der Entlassungspraktiken vorhanden."

"Darüber hinaus ist der rumänische Arbeitsmarkt im Vergleich zu anderen Ländern in der Region unflexibel (s. Tabelle). Die Arbeitsmarktreformen sollten Unterstützung von gering qualifizierten Beschäftigten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz und die Förderung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer beinhalten. Die Behörden haben hervorgehoben, dass Rumäniens Rentenreformentwurf Änderungen der Anreize zu Frühverrentungen vorsieht. Ferner ist eine Modifizierung des Arbeitsgesetzes geplant, um die Arbeitszeit flexibler zu gestalten und die Einstellungs- und Entlassungskosten zu senken."

Juni 2011
IWF-Länderbericht Nr. 11/158
Rumänien: Erste Überprüfung im Rahmen der Bereitschaftskreditvereinbarung und Antrag auf Modifizierung der Leistungskriterien —Stabsbericht

"Die Behörden haben wichtigen Reformen in Bezug auf das Arbeitsrecht und den Sozialschutz durchgeführt. Das am 30. April erlassene neue Arbeitsgesetz zielt darauf ab, die Flexibilität des Arbeitsmarktes zu verbessern, indem befristete Tätigkeiten und Leiharbeit gefördert werden, die Probezeit verlängert und die Arbeitszeit flexibler gestaltet wird.

Vor kurzem wurde das kontroverse Gesetz über den sozialen Dialog erlassen, nachdem das Verfassungsgericht grünes Licht gegeben hatte. Es soll den Tarifprozess flexibler machen und eine bessere Orientierung von Lohnerhöhungen an Produktivitätsentwicklungen ermöglichen. Schlüsselelemente sind u.a. die Erhöhung der Repräsentativitätsschwelle sowohl für Gewerkschaften als auch für Arbeitgeberorganisationen, die Abschaffung von Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene und die Beendigung der automatischen Ausweitung auf die sektorale Ebene.

Die Behörden bemühen sich weiter um die Rationalisierung der Sozialhilfe bei gleichzeitigem Schutz schwacher Gruppen durch bedarfsorientierte Leistungen. Ein neues Sozialhilfegesetz liegt im Entwurf vor. Darin werden die bisherigen 54 Leistungskategorien in neun Kategorien zusammengefasst. Mit Überprüfungen im sozialen Bereich wurden wichtige Ergebnisse erzielt, da die Zahl der Empfänger von Heizkostenzuschüssen 2011 um die Hälfte zurückgegangen ist."

Portugal

Juni 2011
IWF-Länderbericht Nr. 11/127
Portugal: Antrag auf eine dreijährige Vereinbarung im Rahmen der Erweiterten Fondsfazilität

"In Abwesenheit einer Wechselkurspolitik zielt das Programm auf eine interne Abwertung ab, durch unverzügliche Reformen zur Erhöhung der Arbeitsmarktflexibilität, zur Förderung des Wettbewerbs, um die relativen Preise nicht handelbarer Güter nach unten zu drücken, sowie zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, um die Rentabilität im Bereich der handelbaren Güter zu erhöhen. … Mittelfristig wird damit gerechnet, dass Arbeitsmarktreformen zur Senkung der Lohnstückkosten und moderate Lohnabschlüsse in der Privatwirtschaft sowie Maßnahmen zur Erhöhung des Wettbewerbs auf den Binnenmärkten die Preiswettbewerbsfähigkeit fördern werden."

"Im Rahmen dieses Programms wird das übermäßig großzügige System der Arbeitslosenversicherung überarbeitet werden, um die Anreize zu erhöhen und für mehr Beschäftigung zu sorgen, während gleichzeitig die sozialen Sicherheitsnetze ausgeweitet werden, indem Berufsanfänger einbezogen und auch Selbstständige berücksichtigt werden. Die im Laufe des nächsten Jahres geplanten Maßnahmen werden zudem die hohen Entlassungsabfindungen senken und sie für befristete und unbefristete Arbeitsverträge angleichen, und sie werden die allzu restriktiven Auslegungen der Arbeitsgesetzklauseln bezüglich gerechtfertigter Entlassungen überprüfen, um die Verzerrungen in Richtung auf befristete Arbeitsverträge abzubauen."

"Während der Laufzeit des Programms wird eine Erhöhung des Mindestlohns nur dann vorgenommen, wenn die wirtschaftlichen Bedingungen dies rechtfertigen und es im Rahmen der regelmäßigen Programmüberprüfung vereinbart wird. Darüber hinaus werden die im Rahmen des Programms eingegangenen Verpflichtungen für klare Kriterien für die Verlängerung von Tarifverträgen sorgen. Diese Kriterien werden der Wettbewerbsposition der Unternehmen Rechnung tragen. Ferner sind eine Reihe von Maßnahmen zugunsten von Lohnanpassungen im Einklang mit der Produktivität geplant."

"Eine potenziell wichtige politische Maßnahme wird die geplante fiskalpolitisch neutrale Senkung der Arbeitskosten sein, was hauptsächlich durch höhere Verbrauchssteuern und Ausgabenkürzungen ausgeglichen werden soll. Die Strategie zielt darauf ab, die Auswirkungen einer Abwertung der Währung zu simulieren: Eine geringere Besteuerung des Faktors Arbeit erhöht die Wettbewerbsfähigkeit der Produktion im Inland, wenn die Firmen den Rückgang der Arbeitskosten an die Endverbraucher weitergeben, während höhere Verbrauchssteuern den Verbrauch mindern. Darüber hinaus werden durch die vorgeschlagene Senkung der Arbeitskosten Arbeitsplätze entstehen."


Spanien

Juli 2011
IWF-Länderbericht Nr. 11/215
Spanien –– Stabsbericht für die Artikel-IV-Konsultationen 2011

"Arbeit: Mutigere Reformen notwendig …
Lohnflexibilität wurde durch das Tarifsystem verhindert, das eine Inflationsindexierung und den Schutz unbefristeter Arbeitsverträge vorsieht (wodurch der Beschäftigung abträgliche Lohnforderungen begünstigt werden können). Ferner werden auf Branchen- oder Provinzebene ausgehandelte Tarifabkommen automatisch auf die gesamte Provinz und Branche ausgeweitet, ohne dass einzelne Firmen oder Beschäftigte viel Spielraum haben, um sich auszuklinken. …

Die Reform des Arbeitsmarktes geht in die richtige Richtung. Mit der Reform von 2010 wurden durch die Lockerung der Entlassungskosten und -kriterien sowie durch die den Firmen gegebene größere Flexibilität beim Ausstieg aus Tarifverträgen erhöhte Anreize für die Einstellung von Beschäftigten gegeben.

Im Juni 2011 wurde der Tarifprozess weiter reformiert, um eine größere Flexibilität auf Betriebsebene zu ermöglichen, indem:
- (1) betrieblichen Vereinbarungen vor allem gegenüber der Provinzebene Vorrang eingeräumt wurde;
- (2) die Möglichkeit einer unbefristeten Verlängerung früherer Vereinbarungen für den Fall, dass sich die Sozialpartner auf keinen neuen Vertrag verständigen können, begrenzt wurde;
- (3) der Ausstieg aus Tarifverträgen weiter erleichtert wurde; und
- (4) den Firmen eine größere interne Flexibilität gegeben wurde. Die meisten Gesprächspartner, einschließlich der Sozialpartner, der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und Wissenschaftlern, waren sich einig, dass die bisherigen Arbeitsmarktreformen in die richtige Richtung gehen. Die meisten von ihnen unterstrichen jedoch auch, dass die Reformen noch nicht abgeschlossen seien und die Arbeit daran fortgesetzt werde."

"Die Reform des Arbeitsmarktes geht in die richtige Richtung, aber die bisherigen Ergebnisse geben noch nicht genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Reformen schnell zu einer Verbesserung der Arbeitsmarktdynamik führen werden, die so deutlich ist wie es der Ernst des Problems verlangt. Dies erfordert eine Vertiefung und Verbreiterung der bisherigen Reformen. Vor allem müssen die Tarifverhandlungen in wirksamer Weise dezentralisiert und auf die Betriebsebene verlagert werden; die Sozialpartner sollten die Inflationsindexierung aufgeben und die Abfindungszahlungen sollten weiter gesenkt werden, zumindest auf den EU-Durchschnitt."