Spotlight-Interview mit Myrtle Witbooi (SADSAWU-Südafrika)

"Arbeitgeber von Hausangestellten jetzt dialogbereit"

Die SADSAWU (1) ist eine der ältesten Organisationen, die sich für die Rechte von Hausangestellten in Südafrika einsetzt und schon vor der Annahme des internationalen Übereinkommens der IAO über Hausangestellte (2) im Juni 2011 wichtige Erfolge verbuchen konnte. Myrtle Witbooi, Gründungsmitglied und Generalsekretärin der Gewerkschaft sowie Vorsitzende des internationalen Hausangestellten-Netzwerkes IDWN, blickt auf ihre 30-jährige aktive Gewerkschaftsarbeit und die mit diesem neuen Übereinkommen verbundenen Herausforderungen zurück.

Was wird sich durch das neue IAO-Übereinkommen für südafrikanische Hausangestellte ändern?

Unsere Arbeitsgesetze sind zwar gut, aber es sind immer noch Verbesserungen möglich, und dieses IAO-Übereinkommen wird uns dabei helfen. Außerdem ist unsere Regierung dadurch stärker gefordert, die vorhandenen Gesetze auch in Kraft zu setzen, indem beispielsweise die Zahl der Arbeitsaufsichtsbeamten erhöht wird. Die südafrikanische Regierung hat es Hausangestellten im Jahr 2010 ermöglicht, sich an die Arbeitsaufsicht zu wenden. Es gibt eine Telefonnummer, die sie im Falle eines Problems anrufen können, aber da es an Aufsichtsbeamten fehlt, besteht nach wie vor kaum Aussicht auf Hilfe von dieser Seite. Wie in allen Ländern mangelt es auch hier an den für die Finanzierung der Arbeitsaufsicht erforderlichen Mitteln.

Der Zugang zur Arbeitsaufsicht ist ein in dem neuen IAO-Übereinkommen verankertes Recht. Wie haben Sie es geschafft, dieses Recht bereits 2010 in Südafrika durchzusetzen?

Die südafrikanische Regierung hat früher sämtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit Hausangestellten im Alleingang getroffen, aber vor einem Jahr hat sie sich bereit erklärt, die Sozialpartner einzubeziehen. Wir haben vorgeschlagen, in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium ein Forum für Hausangestellte einzurichten. Es tagt regelmäßig, um sich mit ihrer Situation zu befassen und kann als ihr Sprecher gegenüber der Regierung fungieren. Als uns das Ministerium nach unseren Hauptforderungen fragte, erwähnten wir den Zugang zur Arbeitsaufsicht. Das Forum und die Vorbereitungsarbeit für das IAO-Übereinkommen haben die Regierung dazu veranlasst, den Arbeitsaufsichtsbeamten Interventionen im Falle von Hausangestellten zu gestatten.

Haben Arbeitsaufsichtsbeamte freien Zutritt zu privaten Haushalten?

Nein, sie müssen die Arbeitgeber um Genehmigung bitten, aber die Arbeitgeber verweigern ihnen den Zutritt normalerweise nicht und lassen sie mit ihren Angestellten reden. Vor ein paar Jahren sah die Situation noch anders aus, aber jetzt sind die Arbeitgeber meistens zum Dialog bereit, auch mit den Gewerkschaften. Sie wissen, dass wir Beziehungen aufbauen wollen und kein Interesse daran haben, sie zu zerstören. Hier und da mag es noch Vorbehalte geben, aber ich habe es noch nie erlebt, dass ein Arbeitgeber den Zutritt zu dem Arbeitsplatz von Hausangestellten verweigert hat.

Wie viele Mitglieder hat die SADSAWU?

Rund 30.000. Wir haben im Laufe der Jahre mindestens 80.000 Hausangestellten geholfen, aber nicht alle sind Mitglied geworden. Sie kommen zu uns, wenn sie Probleme haben und danach sehen wir viele nie wieder, aber andere kommen am nächsten Tag zurück. Wir sagen den Beschäftigten nie, dass sie unserer Gewerkschaft beitreten müssen, um unsere Hilfe zu bekommen. Wir wissen, dass diese Berufsgruppe schwer zu organisieren ist, da es ihr prioritär darum geht, über die Runden zu kommen. Viele südafrikanische Gewerkschaften mussten aufgeben, aber dank der Entschlossenheit unserer Führungsspitze hat die SADSAWU überlebt, und dank der Unterstützung, die wir vom niederländischen Gewerkschaftsbund FNV erhalten, gewinnen wir an Stärke und können neue Mitglieder werben.
Wir leisten zudem Sensibilisierungsarbeit bei unserem Dachverband, dem Congress of South African Trade Unions (COSATU), da viele Gewerkschafter selbst Hausangestellte beschäftigen. Wenn jedes COSATU-Mitglied sein Hauspersonal bei unserer Gewerkschaft anmeldet, könnten wir eine der stärksten Gewerkschaften werden.

Viele Gewerkschaften haben Schwierigkeiten, Kontakt zu Hausangestellten aufzunehmen, da sich ihr Arbeitsplatz in Privathaushalten befindet. Wie machen Sie das?

Wir veröffentlichen jeden Monat ein Informationsblatt über unsere Aktivitäten mit Nachrichten aus dem Bereich der Hausarbeit, das unsere Mitglieder in ihrer Nachbarschaft verteilen: in Kirchen, Parks, in die Hausangestellte mit den Kindern ihrer Arbeitgeber gehen, in öffentlichen Verkehrsmitten usw. In dem Informationsblatt steht unsere Telefonnummer, und da die Hausangestellten Mobiltelefone haben, können sie sich mit uns in Verbindung setzen, indem sie uns z.B. eine SMS schicken, und wir rufen sie dann zurück. Außerdem klopfen wir an Türen, um unsere Informationsblätter an Hausangestellte zu verteilen. Es ist wichtig, an die Türen zu klopfen, denn wenn wir die Blätter in den Briefkasten werfen, bekommen sie sie eventuell nie zu sehen. Unsere aktiven Mitglieder helfen uns an ihren freien Tagen.

Welches sind die wichtigsten Aktivitäten, mit denen Sie Hausangestellten helfen?

In den letzten beiden Jahren haben wir aktiv für das IAO-Übereinkommen über Hausangestellte gekämpft. Außerdem organisieren wir eine Vielzahl von Aktivitäten, um Hausangestellte über ihre Rechte zu informieren, und wir halten regelmäßig Workshops zum Thema Aids und zu Fragen wie Gewalt ab. Was Aids betrifft, sind sich viele beispielsweise ihrer Rechte oder der Gesetze nicht bewusst. Sie werden unter Umständen ungerechtfertigterweise entlassen, weil ihr Arbeitgeber meint, dass sie viel husten. Der COSATU hat eine Anlaufstelle eingerichtet, bei der sie sich in ganz verschiedenen Fragen Rat holen können.

Einige sind sich nicht bewusst, dass es eine Form von Gewalt bzw. von Einschüchterung ist, wenn ihr Arbeitgeber sie anschreit oder sie beleidigt. Wir versuchen auch, ihnen im Zusammenhang mit sexueller Belästigung die Grenzen klarzumachen. Es ist ihnen nicht immer bewusst, dass es nicht normal ist, wenn ein Arbeitgeber ihnen beispielsweise den Arm streichelt und Komplimente über ihr Aussehen macht. Unsere Aufklärungsarbeit geht aber über die Arbeitswelt hinaus, da einige von ihnen von ihren Ehemännern geschlagen werden und das für normal halten.

Hausangestellte werden von jeher unterbewertet. Wir wollen sie stärken und ihnen Achtung verschaffen. Wenn eine Hausangestellte Mitglied wird, hoffen wir, dass sich ihre Mitgliedschaft nicht nur auf die Zahlung der Beiträge beschränkt, weshalb wir sie über all unsere Aktivitäten informieren. Wir arbeiten zudem mit anderen Organisationen zusammen, um unseren Mitgliedern mehr Entfaltungsmöglichkeiten zu geben.

Es wird zum Teil argumentiert, dass die Zahlung des Mindestlohns für Hausangestellte, wie in dem neuen IAO-Übereinkommen vorgesehen, nicht realistisch sei, da sich die meisten Arbeitgeber dies nicht leisten könnten. Was sagen Sie dazu?

Der Mindestlohn muss gezahlt werden. Wenn eine Hausangestellte lange für weniger als den Mindestlohn beschäftigt war, können wir zu einer Einigung mit ihrem Arbeitgeber gelangen: Entweder zahlt er jeden Monat einen Teil des ausstehenden Lohns oder wir stellen ihn bloß. Arbeitgeber, die es sich nicht leisten können, den Mindestlohn zu zahlen, sollten die Arbeitszeit verkürzen. Arbeitgeber können keine Angestellten beschäftigen, die sie nicht bezahlen können. Sie sollten ihnen die Möglichkeit geben, sich anderswo einen menschenwürdigen Lebensunterhalt zu verdienen. Niemand wird deshalb seine Arbeit verlieren, denn im Gegensatz zu dem, was uns einige Interessengruppen glauben machen wollen, verlieren Hausangestellte ihre Arbeit nicht infolge des Mindestlohns, sondern aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten, weil Betriebe schließen. Sie stehen nicht völlig ohne Arbeit da, sondern arbeiten statt fünf Tagen beispielsweise nur noch drei Tage die Woche.

Diejenigen, die es sich nicht leisten können, einer Hausangestellten den Mindestlohn zu zahlen, sind häufig diejenigen, die am dringendsten Hilfe benötigen, weil sie außerhalb des Hauses arbeiten und jemanden brauchen, der sich um ihre Kinder kümmert, die jedoch nicht genug verdienen, um den Mindestlohn zu zahlen. Wir raten den Betroffenen, mit ihrer Hausangestellten zu einer Einigung zu gelangen, indem sie zum Beispiel deren Arbeitszeit verkürzen, anstatt zu verlangen, dass sie ständig für sie da ist, selbst abends und an den Wochenenden.

Was bringt Ihnen Ihre Gewerkschaftsarbeit persönlich?

Große Genugtuung! Als ich in den 60er und 70er Jahren selbst als Hausangestellte gearbeitet habe, hatten wir keinerlei Rechte, keine Stimme. Diejenigen, die den Mund aufmachten, wurden entlassen. Damals, unter der Apartheid, konnten Regierungsvertreter zu uns nach Hause kommen, unsere Kinder wegnehmen – alles war möglich. Die Arbeit von Hausangestellten wurde durch das "Dienstbotengesetz" geregelt, das besagte, dass alles, was der Arbeitgeber sagte, Gesetzeskraft hatte und die Angestellten keinerlei Mitspracherecht hatten. Im Laufe der Jahre haben die Gewerkschaften Druck auf die Regierung ausgeübt, und nach und nach haben wir die Achtung unserer Rechte durchgesetzt, aber wirklich geändert hat sich die Situation erst mit der Wahl einer demokratischen Regierung. Jetzt haben wir das Recht, unsere Meinung zu sagen und müssen keine Angst mehr vor den Arbeitgebern haben. Hausangestellte verfügen über etwas mehr Freiheiten, und das neue IAO-Übereinkommen kann uns dabei helfen, diese Freiheiten weiter auszubauen. Voraussetzung ist allerdings, dass es ratifiziert und von den Hausangestellten genutzt wird. Ein gutes Übereinkommen bzw. gute Arbeitsgesetze reichen nicht aus, um das Leben der Hausangestellten zu verändern, weil sie sich deren Existenz zunächst einmal bewusst sein müssen. Hier sind wir gefordert, aber auch das Arbeitsministerium hat die Aufgabe, die Beschäftigten über die zu ihrem Schutz existierenden Gesetze und Normen zu informieren.

Interview Samuel Grumiau

(1) South African Domestic Service and Allied Workers Union

(2) Übereinkommen 189 über Menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte im Wortlaut

Interview mit Marieke Koning (IGB-Abteilung Gleichstellung): "A historic victory for domestic workers"

Im Anschluss an die historische Annahme des IAO-Übereinkommens 189 über Menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte bei der IAO-Konferenz im Juni 2011 hat der IGB die ‘12 bis 12’-Kampagne begonnen, die auf 12 Ratifizierungen des IAO-Übereinkommens 189 bis zum Jahr 2012 abzielt. Kampagnenpartner sind IDWN, IUL, IÖD, EGB, Human Rights Watch, Solidar, Migrant Forum Asia und World Solidarity. Hier der Link zur Internetseite der ’12 bis 12’-Kampagne und zu unserer Facebook-Seite ’12 >12’