Erklärung des IGB zum 1. Mai 2009

Die Krise beenden und die globale Wirtschaft umgestalten.

Die Krise beenden und die globale Wirtschaft umgestalten

Brüssel, 1. Mai 2009, (IGB-OnLine): Die Welt erlebt gegenwärtig die schwerste Wirtschaftskrise seit mehr als 60 Jahren. Viele Millionen Arbeitsplätze gehen aufgrund der Habgier, Plünderung und Inkompetenz, die die Welt durch die jahrzehntelange Deregulierung und Liberalisierung in eine tiefe Rezession gestürzt haben, verloren. Armut und Ungleichheit nehmen weltweit in rasantem Tempo zu, und erwerbstätige Männer und Frauen leben in so großer Unsicherheit wie schon lange nicht mehr.

Die Gewerkschaften fordern weitreichende, abgestimmte Sofortmaßnahmen, um die Welt aus der Rezession herauszuführen. Die Regierungen müssen aktiv werden, um Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen und auf diese Weise eine noch tiefere und längere Krise zu vermeiden. Derartige Maßnahmen sind unerlässlich, reichen alleine aber nicht aus.

Wir fordern eine umfassende Neugestaltung der Weltwirtschaft, eine globale Wirtschaft, die sich auf soziale Gerechtigkeit stützt und:

• menschenwürdige Arbeit für alle, einschließlich der uneingeschränkten Achtung der Gewerkschaftsrechte, ermöglicht;

• auf einer wirksamen, demokratischen und verantwortungsvollen internationalen Lenkung ("Global Governance") basiert, bei der die Bedürfnisse der Menschen an erster Stelle stehen;

• für eine strenge Regulierung der Finanzmärkte sorgt, so dass die Finanzwelt im Dienste der realen Wirtschaft steht und die reale Wirtschaft im Dienste der Menschen;

• die Achtung der Rechte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer garantiert und Armut, Ungleichheit, Diskriminierung und Ausbeutung ein Ende setzt und

• durch grüne Investitionen und grüne Arbeitsplätze für Nachhaltigkeit sorgt.

Die Regierungen haben die Verantwortung und die Möglichkeit, die neue globale Wirtschaft aufzubauen, und die Gewerkschaftsbewegung wird an ihrer Forderung nach der Erfüllung dieser Verantwortung festhalten und darauf drängen, selbst auf allen Ebenen in diesen Prozess einbezogen zu werden.

Wir werden eine Rückkehr zu einer Politik der Habgier, bei der eine winzige Elite auf Kosten der Mehrheit zu enormem Reichtum gelangen konnte, bei der die Beschäftigten ihrer Würde und Sicherheit beraubt wurden, nicht dulden. Von zentraler Bedeutung ist daher die Wiederherstellung der Rolle der Regierungen bei der Regulierung des privaten Sektors und der Sicherung öffentlicher Dienste zur Erfüllung grundlegender sozialer Bedürfnisse. Die jahrzehntelang verfolgte Ideologie des freien Marktes hat die grundlegenden Regulierungs- und Dienstleistungsfunktionen der Regierungen geschwächt, wobei der IWF und die Weltbank eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung gespielt haben, dass die Regierungen dieser in Misskredit geratenen Ideologie folgten. Diese Institutionen wurden jetzt mit einer enormen Verantwortung und umfangreichen Ressourcen betraut, um die Rezession zu bekämpfen. Ihre Strukturen und ihre Politik, ebenso wie die der WTO, bedürfen einer grundsätzlichen Änderung, um die neue globale Wirtschaft zu ermöglichen.

Im Mittelpunkt der neuen globalen Wirtschaft muss menschenwürdige Arbeit stehen. Dies ist unerlässlich, um die Bedürfnisse und Bestrebungen der Menschen überall zu erfüllen und die einzige nachhaltige Möglichkeit, um die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen wiederherzustellen. Das Vereinigungsrecht und das Recht auf Tarifverhandlungen sind von zentraler Bedeutung für die Sicherung und Verbesserung des Lebensstandards und die Ankurbelung des Wachstums. Wir fordern die Spitzenpolitikerinnen und -politiker der Welt auf, sich umgehend auf einen Globalen Pakt für Arbeitsplätze zu verständigen, um für menschenwürdige Arbeit zu sorgen, und wir bestehen darauf, dass der IAO eine zentrale Rolle bei der Lenkung der Weltwirtschaft übertragen wird.

Die Abschaffung der das Bank- und Finanzwesen ordnenden Regeln war die wichtigste Einzelursache für die Krise, und es ist daher eine strenge Regulierung auf nationaler Ebene erforderlich. In einer globalen Wirtschaft kann jedoch kein Land allein für eine angemessene Regulierung sorgen oder die Steuerzahler davor schützen, dass sie durch den Abfluss riesiger Beträge in Steueroasen betrogen werden. Die Regierungen müssen zusammenarbeiten, um die neuen Regeln zu entwickeln und in Kraft zu setzten, und zwar umgehend.

Die Staats- und Regierungschefs der Welt sind viele Male zusammengetroffen, um sich der Beseitigung von Armut und Hunger zu verpflichten, Entwicklung zu versprechen und die Achtung grundlegender Rechte bei der Arbeit und in der Gesellschaft zu garantieren. Das von ihnen geschaffene Wirtschaftssystem hat jedoch dafür gesorgt, dass viele ihrer Zusagen leere Worte blieben, und die derzeitige Krise dient als weiterer Vorwand dafür, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ihre Rechte und erworbenen Ansprüche zu nehmen. Die neue globale Wirtschaft muss die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und in den Kernarbeitsnormen der IAO verankerten zeitlosen und universellen Rechte fördern, anstatt sie zu untergraben.

Die Zeit für die Rettung unseres Planeten vor den verheerenden Folgen des Klimawandels wird langsam knapp. Die neue globale Wirtschaft muss eine grüne Wirtschaft sein, bei der CO²-intensive Arbeitsplätze in mit weniger CO²-Emissionen verbundene Arbeitsplätze umgewandelt werden und bei der für Investitionen in diese Umwandlung und die Schaffung neuer grüner Arbeitsplätze gesorgt wird. Die internationale Gemeinschaft muss sich beim diesjährigen Klimagipfel in Kopenhagen auf weitreichende Maßnahmen verständigen, um die Emissionen zu reduzieren, eine grüne Infrastruktur aufzubauen, grüne Arbeitsplätze zu schaffen und sicherzustellen, dass der Übergang zu einer grünen Wirtschaft gerecht und fair verläuft.

Beim G20-Gipfel in London haben die größten Volkswirtschaften der Welt den Weg für den Beginn der Arbeit an einer neuen globalen Wirtschaft geebnet. Sie waren sich einig, dass Arbeitsplätze von zentraler Bedeutung für eine wirtschaftliche Erholung sind und dass es einer neuen Regulierung, einer globalen Zusammenarbeit und einer Reform bedarf. Sie sagten Bemühungen um eine Charta für eine nachhaltige Globalisierung zu, die als Entwurf für die Art von Weltwirtschaft dienen könnte, die die arbeitenden Menschen fordern. Dies sind jedoch nichts weiter als erste Schritte in die erforderliche Richtung.

Die Gewerkschaften der Welt werden sich weiter um diese neue globale Wirtschaft bemühen. Gestützt auf unsere lange Tradition der globalen Solidarität, auf unsere Kapazitäten zur Mobilisierung für Wandel und auf unsere Entschlossenheit, die Entscheidungsträger für ihre Maßnahmen zur Verantwortung zu ziehen, werden wir unsere Agenda für Wandel gegenüber den Regierungen, den UN, der G20 und überall dort, wo dies relevant ist, weiterverfolgen.

Aus dieser Krise muss eine neue Ära des Wohlstandes, der Gleichstellung, der Demokratie und des Friedens erwachsen. Wir sind entschlossener denn je, diese neue nachhaltige Ära herbeizuführen und all denjenigen, die dem im Weg stehen, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegenzutreten.

Macht mit beim Welttag für menschenwürdige Arbeit am 7. Oktober!

Gewerkschaften reagieren auf die Krise - Internetseiten

Der IGB vertritt 170 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in 312 Mitgliedsorganisationen und 157 Ländern. http://www.youtube.com/ITUCCSI

Weitere Informationen erteilt die IGB-Presseabteilung unter: +32 2 224 0204 oder +32 476 621 018.