IGB-Bericht legt Rahmen für Rechtsvorschriften zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Lieferketten fest

photo: Adobe Stock

Zur Sicherung einer widerstandsfähigen Weltwirtschaft, die eine dem sozialen Fortschritt zuträgliche Erholung von der Covid-19-Krise ermöglicht, müssen die Regierungen nun entschiedene gesetzgeberische Maßnahmen ergreifen, heißt es in dem neuen IGB-Bericht „Hin zu einer obligatorischen Sorgfaltspflicht in globalen Lieferketten“.

Auch wenn alle Regierungen obligatorische Rechtsvorschriften zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte einführen müssen, sind EU-weite Rechtsvorschriften und ein UN-Vertrag über Wirtschaft und Menschenrechte wichtige Schritte zur Regulierung des Verhaltens von Unternehmen in Bezug auf ihre gesamten Operationen und Aktivitäten weltweit.

„Die Covid-19-Pandemie hat die Verletzlichkeit der globalen Versorgungsketten und die enormen Risiken für Menschen- und Arbeitsrechte in einer stark vernetzten, nicht rechtstaatlich organisierten Weltwirtschaft offen gelegt.

Angesichts des weltweiten Nachfragerückgangs infolge der Pandemie haben sich viele Unternehmen dazu entschlossen, die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen abrupt zu beenden und sogar frühere Zusagen nicht einzuhalten, was für die Beschäftigten in globalen Lieferketten katastrophale Auswirkungen hatte.

Mit der Ausbreitung des Coronavirus sind Jahre freiwilliger sozialer Verantwortung von Unternehmen über Nacht verschwunden. In Ermangelung eines angemessenen ordnungspolitischen Rahmens konnten sich globale Unternehmen der Verantwortung für die Beschäftigten entziehen, die die Waren produzierten und die Dienstleistungen erbrachten, die es ihnen ermöglichten, enorme Gewinne zu erzielen. Dies darf nie wieder geschehen“, sagte IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow.

In Bangladesch meldete mehr als die Hälfte der Bekleidungshersteller, dass ihnen die laufende oder abgeschlossene Produktion storniert wurde, was zu massiven Arbeitsplatzverlusten und zur Freistellung von Beschäftigten geführt hat. Mehr als 98 Prozent der Auftraggeber weigerten sich, sich an den Kosten für die Zahlung der nach nationalem Recht vorgeschriebenen Lohnfortzahlung für die beurlaubten Beschäftigten zu beteiligen. Zweiundsiebzig Prozent der beurlaubten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurden ohne Lohn nach Hause geschickt.

„Die Einführung einer obligatorischen Sorgfaltspflicht würde den Arbeitnehmern erstmals einen Rahmen für Rechtsmittel bieten, und zwar unabhängig davon, wo ihr Arbeitgeber ansässig ist. So würden Unternehmen auch daran gehindert werden, sich ihrer Verantwortung nicht nur gegenüber ihren Arbeitnehmern, sondern auch gegenüber der Gesellschaft und dem Planeten insgesamt zu entziehen,“ sagte Sharan Burrow.

„Hin zu einer obligatorischen Sorgfaltspflicht in globalen Lieferketten“ gibt acht Empfehlungen für eine wirksame obligatorische Sorgfaltspflichtgesetzgebung. Der Bericht stützt sich dabei auf eine Analyse der Stärken und Schwächen der bestehenden Rechtsvorschriften durch Professor Oliver De Schutter für den IGB.

  • Sämtliche Unternehmen erfasst: Die Verpflichtung zur Durchführung einer angemessenen Menschenrechtsprüfung sollte allen Unternehmen auferlegt werden, ungeachtet ihrer Größe, Struktur oder Eigentumsverhältnisse.
  • Verpflichtungen in allen Unternehmensstrukturen und Geschäftsbeziehungen: Die Verpflichtung, eine Due-Diligence-Prüfung in Menschenrechtsfragen durchzuführen, sollte sich auch auf Einrichtungen erstrecken, mit denen Wirtschaftsunternehmen durch Investitionen und vertragliche Beziehungen verbunden sind.
  • International anerkannte Menschen- und Arbeitsrechte: Die Verpflichtung, eine Menschenrechts-Due-Diligence durchzuführen, sollte sich unterschiedslos auf alle international anerkannten Menschenrechte, einschließlich der Arbeitsrechte erstrecken. Von Unternehmen sollte auch erwartet werden, dass sie eine Due-Diligence-Prüfung im Hinblick auf ihre Umwelt- und Klimaauswirkungen durchführen.
  • Mechanismen für Beschwerden und Rechtsmittel am Arbeitsplatz: Unternehmen sollten verpflichtet werden, wirksame Beschwerdemechanismen auf Betriebsebene einzurichten oder sich an solchen zu beteiligen, um nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte zu erkennen und zu beheben.
  • Überwachung und Sanktionen: Die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten von Unternehmen sollten von einer zuständigen öffentlichen Stelle überwacht werden, und Verstöße gegen solche Verpflichtungen sollten mit wirksamen und abschreckenden Sanktionen geahndet werden.
  • Haftung: Die Forderung, die Menschenrechte mit der gebotenen Sorgfalt zu prüfen, und die Verpflichtung, jeden aus Menschenrechtsverletzungen resultierenden Schaden zu beheben, sollten als voneinander getrennte und sich gegenseitig ergänzende Verpflichtungen behandelt werden.
  • Beweislast: Die Last der Beweisführung, dass das Unternehmen nicht mehr hätte tun können, um den Schaden zu vermeiden, sollte auf den Schultern des Unternehmens liegen, sobald das Opfer den erlittenen Schaden und den Zusammenhang mit den Geschäftsaktivitäten des Unternehmens nachgewiesen hat.
  • Rolle der Gewerkschaften: Die Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte sollte durch eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften untermauert werden.

„Unternehmen können keinen positiven Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele für 2030 leisten, wenn sie mit ihren Geschäftsmodellen und Aktivitäten weiterhin Menschen- und Arbeitsrechte verletzen.

Nationale Gesetzgebung sowie effektive Due-Diligence-Praktiken von Unternehmen sind entscheidend für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele und für Nachhaltigkeit in Lieferketten und Handel.

Mit Rechtstaatlichkeit können wir sicherstellen, dass die Weltwirtschaft nach den Auswirkungen von Covid-19 widerstandsfähig ist, sozialen Fortschritt ermöglicht und den Menschen und den Planeten an die erste Stelle setzt“, sagte Sharan Burrow.

Der IGB und der EGB veranstalten gemeinsam mit der Arbeitsgruppe „Verantwortliche Unternehmensführung“ des Europäischen Parlaments am 22. Juni von 10.30 - 12.30 Uhr MEZ eine Veranstaltung über die Regulierung von verantwortungsbewusster Unternehmensführung in Europa und in der Welt. Hier können Sie sich für die Veranstaltung anmelden.