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Internationale Gewerkschaftsbund

Maßnahmen bei der IAO zum Schutz des Streikrechts

 
Globaler Kreuzzug der Arbeitgeber gegen Übereinkommen 87 und das Streikrecht
"Die Arbeitnehmer/innen brauchen Regierungen, die aufstehen für die Rechte von Beschäftigten bei der IAO und sich gegen den aggressiven Angriff der Arbeitgeber wehren, die die IAO als trojanisches Pferd nutzen, um überall die Arbeitnehmerrechte auszuhöhlen und eine Attacke auf die jahrzehntelange Rechtsprechung zum Streikreicht beginnen."
Die vom Meinungsforschungsinstitut TNS durchgeführte internationale Umfrage des IGB 2013 hat ergeben, dass mehr als 90% der Menschen für Rechte sind und dass 99% dafür sind, dass für bessere Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutz gestreikt werden darf.
Trotz der überwältigen öffentlichen Unterstützung haben weltweit Arbeitgeber zur Aushöhlung dieses Rechts mit einem Kreuzzug begonnen, der von der Internationalen Arbeitsorganisation ausgeht. Die Generalsekretärin des IGB hat einen Brief an die Verantwortlichen der Mitgliedsorganisation geschickt und sie darum gebeten, in dieser Angelegenheit direkt aktiv zu werden.   Link zu dem Brief.
DIE IAO ALS MASSGEBLICHER BEZUGSPUNKT
Die IAO, die für Beschäftigung und Rechte am Arbeitsplatz zuständige Organisation der Vereinten Nationen, diente seit ihrer Gründung im Jahr 1919 als maßgeblichen Bezugspunkt für internationales Arbeitsrecht. Bereits 1927 erkannte die IAO ausdrücklich an, dass es ein Recht auf Streik gibt und dass dieses direkt in Verbindung steht mit der Vereinigungsfreiheit – eine Anerkennung, die über 60 Jahre lang von den Arbeitgebern nicht in Frage gestellt wurde.
Die dreigliedrige Struktur der IAO stellt sicher, dass Regierungen, Arbeitgeber und Gewerkschaften gleichermaßen an ihrer Entscheidungsfindung beteiligt sind. Sie verfügt über hoch entwickelte und zuverlässige "Überwachungs"-Mechanismen für die Bewertung, ob Rechtsvorschriften jeder einzelnen Mitgliedsregierung die grundlegenden Anforderungen der IAO-Mitgliedschaft sowie der Bestimmungen der von der Regierung ratifizierten IAO-Übereinkommen (d. h. durch dreigliedrige Gespräche zustande gekommene Verträge) erfüllen. Von den 189 Übereinkommen sind das Übereinkommen 87 (Vereinigungsfreiheit) und Übereinkommen 98 (Kollektivverhandlungen) die wichtigsten hinsichtlich des Ausgleichs zwischen den Rechten und Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. In der Tat gelten sie als "grundlegend" und ihre Grundsätze gilt es einzuhalten, auch wenn die Regierung sie nicht ratifiziert hat.
Zwei der Überwachungsmechanismen der IAO haben eine besondere Bedeutung:
Der dreigliedrige Ausschuss für Vereinigungsfreiheit (engl. CFA) – er prüft Beschwerden von Gewerkschaften oder Arbeitgebern gegen Regierungen, wo Rechtsvorschriften in den Bereichen Vereinigungsfreiheit und/oder Kollektivverhandlungen gegen Übereinkommen 87 oder 98 verstoßen – gegen die wenigen Regierungen, die diese Übereinkommen noch nicht ratifiziert haben, kann der CFA immer noch ein Urteil aussprechen;
Der unabhängige Sachverständigenausschuss (CEACR*) setzt sich zusammen aus 20 hochrangigen internationalen Rechtsexperten aus der ganzen Welt. Unter ihnen befinden sich auch Richter von obersten Gerichtshöfen, Fachleute im Bereich Arbeitsrecht und Rechtswissenschaftler. Der Ausschuss berichtet darüber, wie die IAO-Mitgliedsregierungen die von ihnen ratifizierten Übereinkommen einhalten und bietet Analysen zu wichtigen Themen, die für die gesamte IAO-Mitgliedschaft von Belang sind. Er wurde eingerichtet, um eine unabhängige Schiedsstelle zu Arbeitsfragen zu bieten.
IAO-ÜBEREINKOMMEN 87 ERKENNT STREIKRECHT AN
Beide Ausschüsse haben über viele Jahrzehnte hinweg bestätigt, dass das IAO-Übereinkommen 87 das Streikrecht anerkennt. Der CFA, dem auch Arbeitgebervertreter angehören, hat bereits 1952 Entscheidungen veröffentlicht, in denen das Streikrecht unterstützt wird. 137 der 151 Regierungen, die das Übereinkommen 87 ratifiziert haben, haben dies nach 1952 getan. Sie haben also klar verstanden, dass das Streikrecht in der IAO-Rechtsprechung existiert. Der CEACR hat erstmals im Jahre 1959 und danach noch mehrfach anerkannt, dass im Übereinkommen 87 das Streikrecht enthalten ist.
Der CFA berichtet an den IAO-Verwaltungsrat (ebenfalls eine dreigliedrige Einrichtung), und der CEACR berichtet einem Ausschuss (Ausschuss für die Durchführung der Normen, engl. CAS), der jährlich während der Jahrestagung der IAO zusammentritt.
Im Jahr 1992 haben Arbeitgebervertreter im Ausschuss für die Durchführung von Normen die ersten Schritte unternommen und versucht, jahrzehntelange Rechtsprechung der IAO zu eliminieren und erstmals argumentiert, das Übereinkommen 87 bedeute nicht, dass Arbeitnehmer/innen ein Recht auf Streik hätten. Zuvor hatten die Arbeitgeber argumentiert, dass das Streikrecht begrenzt und an Bedingungen geknüpft bleiben soll. Sie hatten jedoch die zahlreichen Ergebnisse von CFA und CEACR, die das Streikrecht in internationalen Gesetzen und insbesondere in IAO-Übereinkommen 87 unterstützen, nicht in Frage gestellt. 1994 und 1997 haben sie einen vernünftigeren Ansatz verfolgt.
NEUE ARBEITGEBERTAKTIKEN
Ein neuer Typ von Arbeitgebervertretern, von denen einige eher Juristen als Arbeitgeber als solche sind, haben jedoch bei den IAO-Jahrestagungen 2012 und 2013 mit einem Kreuzzug gegen die Arbeitnehmerrechte und vor allem gegen das Streikrecht begonnen. 2012 blockierten sie so den gesamten CAS und untermauerten ihre Haltung mit rechtlichen Argumenten, die von der jahrzehntelangen Anerkennung der IAO-Ergebnisse durch die Arbeitgeber abweichen. Sie hielten so die IAO-Konferenz 2012 davon ab, Fälle anzuhören, bei denen es um zum Teil um eine lebensgefährliche Verletzung von Arbeitnehmerrechten ging.
Wenn diese neue Generation von Arbeitgeberdelegierten mit ihrer Mission, die Geschichte neu zu schreiben und die zentrale Säule der Erkenntnisse der IAO zu eliminieren, Erfolg haben, dann werden die Rolle und Wirksamkeit der IAO als eine der erfolgreichsten UN-Agenturen ernsthaft gefährdet.   Link zur IGB-Stellungnahme
Doch damit nicht genug.
Zahlreiche Länder haben Gesetze verabschiedet und sogar Verfassungen geschrieben, in denen das Streikrecht geschützt wird – auf der Grundlage derselben IAO-Rechtsprechung, die sie jetzt zu beseitigen versuchen. Dies könnte der Anfechtung selbst der grundlegendsten arbeitsrechtlichen Vorschriften in vielen Ländern Tür und Tor öffnen – gute Nachrichten für arbeitgeberfreundliche Anwaltskanzleien und skrupellose Arbeitgeber, aber sehr schlechte Nachrichten für Arbeitnehmer/innen und Regierungen, die sich auf ausgereifte und ausgewogene Arbeitsbeziehungen verlassen.
DIE SCHWÄCHSTEN SCHÜTZEN
Die IAO ist auch eine überzeugende Stimme für menschenwürdige arbeitsrechtliche Bestimmungen in Ländern, die diese noch nicht haben – wie zum Beispiel Saudi-Arabien und Katar, wo Millionen von Arbeitsmigrant/innen entsetzlicher Ausbeutung ausgesetzt sind. Eine starke IAO, die in den Realitäten des weltweiten Arbeitsmarktes mit all den Auflagen und Rechten menschenwürdiger Beschäftigungsnormen verwurzelt ist, ist eine machtvolle Reformkraft. Eine Schwächung der IAO würde den Arbeitnehmer/innen in Ländern, wo das Fehlen des Streikrechts die Wurzel von Missbrauch und gefährlichen Arbeitsbedingungen ist, die Hoffnung nehmen.
Die Welt hat Weisheit und Reife an den Tag gelegt, als sie im Jahr 1919 die IAO gegründet und der Erwerbsbevölkerung so einen internationalen Rahmen und eine Alternative zum offenen Konflikt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern geboten hat. Eine Schwächung der IAO und eine Auslöschung des Streikrechts insbesondere in dieser schwierigen Zeit, wo Arbeitnehmer/innen zunehmend leicht Opfer von Ausbeutung werden, würde die Zeit um hundert Jahre zurück drehen und die Erwerbsbevölkerung zum Spielball der Arbeitgeber machen.
Mit der Bezwingung der Apartheid, den Kämpfen gegen Diktaturen und für die Befreiung von politischer und ökonomischer Unterdrückung hat die Geschichte gezeigt, dass arbeitende Menschen entschlossen sind, aufzustehen gegen Unrecht und gegen unhaltbare Situationen. Ob es der neuen Generation von Arbeitgebern gefällt oder nicht, die Arbeitnehmer/innen werden weiterhin dann zum Streik greifen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.

Die Regierungen müssen die Risiken verstehen und anerkennen. Sie müssen aufstehen gegen die Mobbingtaktik, die die Arbeitgeber in der IAO verfolgen und sich bei diesem grundlegenden Thema auf die Seite ihrer eigenen Bevölkerung stellen.
Bislang hat sich dieser letzte Kampf um das Streikrecht und die Unversehrtheit des IAO-Überwachungssystems im Rahmen der Protokolle und Verfahren der IAO abgespielt. Aber ein ausführlicher Dialog zwischen Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften haben zu keiner Einigung geführt. Das Recht aller Arbeitnehmer/innen, einen Streik auszurufen aufgrund von gefährlicher oder gesundheitsschädlicher Arbeit und für Menschenwürde am Arbeitsplatz, ist in Gefahr. Link zum IGB-Vorstandsdokument

WERDET AKTIV
Der IGB-Vorstand hat sich entschieden, die Unterstützung von Regierungen und, wo dies möglich ist, auch von vernünftigen Arbeitgebern zu sichern. Link zum IGB-Vorstandsdokument
Wir bitten die Mitgliedsorganisationen, folgendes zu tun:
  1. Den Musterbrief an ihre Regierung zu schicken; Link zum Musterbrief
  2. Ein Gespräch mit dem Regierungschef und dem zuständigen Minister fordern mit Rückmeldung an den IGB, ob von ihnen Unterstützung ausgeht oder nicht, und
  3. Organisieren eines offiziellen Treffens mit Arbeitgeberorganisationen zur Diskussion über die Folgen der Position der Arbeitgebervertreter in der IAO sowie Erwägung möglicher Folgemaßnahmen.
*CEACR = Sachverständigenausschuss für die Durchführung der Übereinkommen und Empfehlungen