Themencluster: Wirtschaft

Das Versagen der Ordnungssysteme, das im Jahr 2008 zu der weltweiten Finanzkrise und der anschließenden Rezession geführt hat, hat nach mehr als zwei Jahrzehnten Globalisierung die Ungleichheit verschärft, Millionen Arbeitsplätze vernichtet, prekäre und informelle Tätigkeiten vervielfacht und zu einer generellen Ernüchterung beigetragen, die sich populistische Politikerinnen und Politiker überall auf der Welt zunutze machen. Auch die Weltwirtschaft selbst ist dadurch angesichts einer stagnierenden Nachfrage aufgrund der fehlenden Kaufkraft erheblich prekärer geworden.

Die Debatte über die Arbeitswelt der Zukunft muss Lösungen für die immensen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen, vor denen die Gesellschaft steht, hervorbringen und darf sich nicht nur darauf beschränken, wie neue Technologien in ein System integriert werden, bei dem erwerbstätige Menschen bereits jetzt auf der Strecke bleiben. Und sie sollte sich nicht um eine „alte“ und eine „neue“ Wirtschaft drehen, bei der im ersten Fall hauptsächlich die Menschen die Arbeit erledigen und im zweiten Fall die Arbeit automatisiert ist und die Tätigkeiten derjenigen, die eine Arbeit haben, von Algorithmen und Apps bestimmt werden.

Die Weltweiten Umfragen des IGB haben immer wieder ergeben, dass Maßnahmen zur Begrenzung der Macht globaler Konzerne und des Finanzsektors überwältigende Unterstützung finden, wenn es darum geht, für sichere und menschenwürdige Arbeit, einen gerechten Anteil für erwerbstätige Menschen durch Löhne und Sozialschutz und andere zentrale Ziele der Gewerkschaftsbewegung zu sorgen. Die Regierungen haben diese Stimmungslage jedoch nicht berücksichtigt. Wenn sich daran nichts ändert, wird der Übergang zur Arbeitswelt der Zukunft ungeordnet verlaufen und von der Wirtschaft beherrscht werden, mit noch größerer Unsicherheit und Ungleichheit als Folge.

Regierungen und Unternehmen müssen sich bewusst werden, dass der Übergang zu einer in höchstem Maße digitalisierten Wirtschaft gerecht sein muss, indem in davon betroffene Berufsgruppen, Branchen und Gemeinwesen investiert wird, um die Qualitäts- und die Produktivitätsvorteile zu maximieren, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass diejenigen, deren Arbeitsplätze betroffen oder gefährdet sind, die notwendige Unterstützung erhalten. Er muss zudem die Entwicklung und die Nachhaltigkeit untermauern, vor allem durch eine enge Verknüpfung mit den Zielen der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung und dem Übergang zu einer Zukunft ohne Kohlenstoffemissionen und ohne Armut.

Um dies zu ermöglichen, müssen umgehend Maßnahmen, auch seitens der G20, bezüglich einer Vielzahl zentraler globaler Herausforderungen ergriffen werden:

Löhne und Sozialschutz – Die Welt braucht höhere Löhne und Gehälter: Die sinkende Lohnquote, mit Millionen Arbeitskräften entlang von Lieferketten und in der informellen Wirtschaft, die um ihr bloßes Überleben kämpfen, erzeugt unermessliches Leid und gefährdet die globale Wirtschaft selbst, da die Kaufkraft stagniert. Überall auf der Welt kämpfen die Gewerkschaften für bessere Löhne, einen existenzsichernden Mindestlohn und die Ausweitung des sozialen Schutzes auf die 75% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weltweit, die derzeit gar nicht oder nur unzureichend sozial abgesichert sind. Es bedarf wirtschafts- und sozialpolitischer Maßnahmen, um eine faire Verteilung der Einkommen und des Wohlstands zu gewährleisten. Zudem ist es an der Zeit, eine fundierte Analyse des Nutzens und der Kosten eines garantierten Grundeinkommens vorzunehmen.

Die Kluft zwischen den Geschlechtern beseitigen: Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist die deutlichste wirtschaftliche Folge der in jedem Land vorhandenen systematischen Diskriminierung von Frauen bei der Arbeit und in der Gesellschaft. Dort, wo Sparmaßnahmen verordnet wurden, sind es die Frauen, die die schwerste Last zu tragen haben, durch unbezahlte Tätigkeiten im Pflege- und Betreuungsbereich und durch unverhältnismäßig starke Auswirkungen auf ihre Einkommen und Möglichkeiten. Ausgehend von den aktuellen Trends, wird das weltweite geschlechtsspezifische Lohngefälle von 23% erst im Jahr 2069 beseitigt sein. Das alleine macht den Ernst der geschlechtsspezifischen Diskriminierung und die absolute Notwendigkeit, sie zu beenden, deutlich. Die Zukunft der Arbeit muss eine Zukunft sein, in der Frauen und Männer gleichberechtigt sind.

Besteuerung: Die hemmungslose Steuerumgehung und -vermeidung, vor allem durch multinationale Unternehmen und den Finanzsektor, hat zur Folge, dass dem Staat die Einnahmen entgehen, die er braucht, um hochwertige öffentliche Dienstleistungen und Sozialprogramme anbieten zu können. Stagnierende Löhne und die „Uberisierung“ der Arbeit werden dazu führen, dass der Staat immer weniger auf die Besteuerung der Arbeitnehmer zählen kann, um die niedrigen bzw. überhaupt nicht gezahlten Steuern der Superreichen und vieler Konzerne auszugleichen. Privatisierungen und Veräußerungen von Vermögenswerten mögen eine vorübergehende finanzielle Entlastung des Staates mit sich bringen, aber zu hohen Kosten für die Gesellschaft und die Volkswirtschaft. Steuergerechtigkeit ist unerlässlich für die Gewährleistung, dass der Staat über die Einnahmen verfügt, die notwendig sind, um hochwertige öffentliche Dienstleistungen, Sozialschutz und die Vielzahl anderer Leistungen anzubieten, die die Zukunft der Arbeit auf der Grundlage sozialer Inklusion gestalten werden.

Investitionen in Infrastruktur und Pflegewirtschaft: Die in vielen Ländern mangelnde oder alternde Infrastruktur drosselt das Wirtschaftswachstum und hemmt die Schaffung von Arbeitsplätzen. Gleichzeitig sind die demographischen Trends und das unzureichende aktuelle Versorgungsangebot eine tickende Zeitbombe im Gesundheitswesen und in der Sozialpflege. Investitionen in die Pflegewirtschaft und in die Infrastruktur sind nicht nur für die Bewältigung dieser Probleme unerlässlich, sondern tragen auch zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum bei.

Klimawandel und industrieller Wandel: Die Digitalisierung am Arbeitsplatz birgt enormes Potenzial, wenn es darum geht, die Effizienz zu steigern und die Abhängigkeit von Kohlenstoff durch eine Zukunft mit erneuerbaren Energien zu ersetzen. Die globale Herausforderung einer Wirtschaft ohne Kohlenstoffemissionen und ohne Armut erfordert eine Vision, Engagement und Mut der Politik und Wirtschaft gleichermaßen. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Agenda für einen gerechten Übergang, basierend auf Rechten, sozialem Dialog, Investitionen in den Übergang und Verhandlungen über Veränderungen in Industriesektoren und am Arbeitsplatz, die dem Klimawandel Rechnung tragen und für den industriellen Wandel sorgen, der erforderlich ist, um die Menschheit und den Planten zu retten.

Ein kohärenter Ansatz: In vielen Ländern werden die Digitalisierungsstrategien von für Technologiefragen zuständigen Ministerien konzipiert, unter lediglich begrenzter Beteiligung anderer Ministerien und ohne nennenswerte Konsultationen mit der Bevölkerung. Auf diese Weise wird dem privaten Sektor das Steuer überlassen. Das fängt jetzt zwar langsam an, sich zu ändern, zum Teil aufgrund der Debatten über die Zukunft der Arbeit, aber nur wenige Länder verfolgen den notwendigen ressortübergreifenden Ansatz und beziehen auch die Gewerkschaften und andere relevante Gruppen ein. Im Mittelpunkt einer kohärenten und umfassenden Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Herausforderungen der Digitalisierung muss der dreigliedrige soziale Dialog stehen.

Handels- und investitionspolitische Maßnahmen: Der wachsende Einfluss populistischer und nationalistischer Maßnahmen hat sich auf die internationale Handelsagenda ausgewirkt, wobei viele der potenziellen Folgen noch gar nicht richtig verstanden werden. Während die Gewerkschaften gegen diejenigen Elemente von Abkommen mobilmachen, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entmachten, die Macht der Wirtschaft gegenüber dem Staat festigen und die Spielräume für eine gute Politikgestaltung einschränken, sind die von Populisten angebotenen Lösungen nicht im Interesse erwerbstätiger Menschen. Bestimmungen wie jene, die im geplanten TiSA-Abkommen enthalten sind, würden zu einer pauschalen „Uberisierung“ ganzer Volkswirtschaften führen und müssen verhindert werden.

Entwicklung: Die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) liefern eine Entwicklungsagenda, bei der menschenwürdige Arbeit im Mittelpunkt steht. Die SDGs dürfen keine Ambition bleiben. Sie bieten einen wichtigen universellen Rahmen für Beschlüsse über die Zukunft der Arbeit, und es ist wichtig, dass die Umsetzung der SDGs und Beschlüsse über die Zukunft der Arbeit, und insbesondere die Rolle des Staates, integriert werden.