Umfrage: Niedrige Löhne und unsichere Arbeitsplätze gefährden die Erholung der globalen Wirtschaft ‒ Regierungen müssen die Macht der Unternehmen eindämmen

Überall auf der Welt verlieren die arbeitenden Menschen das Vertrauen in ihre Regierungen, von denen sie glauben, dass ihnen die Interessen großer Konzerne wichtiger sind als ihre Anliegen. Das hat eine neue internationale Meinungsumfrage des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) ergeben.

Die von dem globalen Marktforschungsunternehmen TNS Opinion im Auftrag des IGB durchgeführte und zur Eröffnung des 3. IGB-Weltkongresses am Sonntag, 18. Mai, in Berlin veröffentlichte Weltweite Umfrage des IGB 2014 erstreckt sich auf 14 Länder, in denen die Hälfte der Weltbevölkerung lebt.

"Die Weltwirtschaft baucht abgestimmte Maßnahmen zur Anhebung der Lebensstandards überall auf der Welt. Sieben Jahre nach dem Beginn der Wirtschaftskrise hat die globale Wirtschaft strukturelle Schäden erlitten, mehr als 200 Millionen Menschen weltweit sind arbeitslos und viele mehr versuchen, sich mit niedrigen Löhnen über Wasser zu halten. Die Unternehmen haben die Regierungen fest im Griff, und die Menschen haben das Nachsehen", so Sharan Burrow, die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes.

Umfrageergebnisse:

  • 79 Prozent glauben nicht, dass der Mindestlohn für ein menschenwürdiges Leben ausreicht.
  • 82 Prozent geben an, dass ihre Löhne nicht mit den Lebenshaltungskosten Schritt halten können oder stagnieren.
  • 88 Prozent sind für die Erhöhung des Mindestlohns in jedem Land der Welt.
    "Die in Berlin zum IGB-Weltkongress zusammengekommene internationale Gewerkschaftsbewegung hat eine Warnung an die großen Konzerne: Nahezu zwei Drittel der Menschen wollen, dass ihre Regierungen die Macht der Unternehmen eindämmen.

Die Menschen sind mit ihren Regierungen unzufrieden und überzeugt, dass sie sich zunehmend der Macht der Unternehmen fügen. Die Welt muss sich ändern, das Machtgleichgewicht muss wiederhergestellt werden.

Der Macht der Wirtschafts- und Finanzriesen muss Einhalt geboten werden, andernfalls laufen demokratisch gewählte Regierungen Gefahr, bloße Marionetten zu werden, wenn wirtschaftliche und soziale Entscheidungen getroffen werden", erklärt Sharan Burrow.

Aus der Umfrage geht zunehmende Unsicherheit bezüglich des Familieneinkommens hervor:

  • Die Hälfte der Befragten kann nicht mit den steigenden Lebenshaltungskosten Schritt halten.
  • Sieben von zehn befragten Europäern haben erklärt, dass ihr Einkommen hinter den Lebenshaltungskosten zurückgeblieben ist.
  • In den letzten drei Jahren hatte über die Hälfte der Weltbevölkerung kein Geld übrig, um zu sparen.

"Menschenwürdige Löhne für erwerbstätige Familien und Niedriglohnempfänger sind zu verwirklichen, wenn den Exzessen des einen Prozents der Reichsten der Welt Einhalt geboten wird. Wenn den Menschen kein Geld zum Sparen bleibt, ist die Sicherheit der Familie in Gefahr, und es besteht keine Möglichkeit, ein Eigenheim zu erwerben oder sonstige Investitionen zu tätigen. Ersparnisse sind eine wesentliche Komponente eines langfristigen ausgewogenen Wachstums", unterstreicht Sharan Burrow.

Aus der Umfrage geht eine wachsende Sorge um die Sicherheit der Arbeitsplätze hervor:

  • Die Hälfte der Befragten hat direkte oder familiäre Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit gemacht.
  • 41 Prozent gehen davon aus, dass ihr Arbeitsplatz in den kommenden zwei Jahren unsicherer werden wird.
  • Nur jeder Zweite glaubt, dass die nächste Generation menschenwürdige Arbeit finden wird.

Aus der Umfrage geht Misstrauen gegenüber den Regierungen und dem Wirtschaftssystem hervor:

  • 68 Prozent glauben, dass ihre Regierungen bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit versagen.
  • Vier von fünf Befragten (78 Prozent) glauben, dass das Wirtschaftssystem die Wohlhabenden begünstigt, statt für die Mehrheit der Bevölkerung gerecht zu sein.
  • Mehr als die Hälfte halten die aktuelle Wirtschaftslage in ihrem Land für schlecht.

"Die zunehmende Angst um die nächste Generation sollte ein Warnsignal für die Regierungen sein.

Die Menschen wollen sehen, dass ihre Regierungen mehr tun, um die Kluft zwischen Reich und Arm zu verringern und für faire Löhne sowie eine größere Sicherheit der Arbeitsplätze zu sorgen.

Der IGB ist die größte demokratische Gemeinschaft der Welt. Die arbeitenden Menschen und ihre Familien erwarten Besseres. Wir erwarten Besseres von unseren Regierungen, und wir werden denjenigen Großkonzernen entgegentreten, die bei der Verfolgung ihrer eigenen Interessen zu immer größerer Ungleichheit beitragen", kommentiert Sharan Burrow.

Die Ergebnisse der im Januar in Australien, Belgien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Kanada, Indien, Italien, Japan, Russland, Südafrika, dem Vereinigten Königreich und den USA durchgeführten Umfrage spiegeln die Ansichten von mehr als 3,7 Milliarden Menschen bzw. der Hälfte der Weltbevölkerung wider.

Anmerkung für die Redakteure:

Link zur Weltweiten Umfrage des IGB:
http://www.ituc-csi.org/IMG/pdf/ituc_global_poll_2014_de_web.pdf

Der IGB-Weltkongress in Berlin beginnt am Sonntag, 18. Mai, und endet am Freitag, 23. Mai 2014. Der IGB vertritt nahezu 180 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in 325 Mitgliedsorganisationen und 161 Ländern und Hoheitsgebieten.

Pressekonferenz für akkreditierte Medienvertreter/innen: 12:45 – 13:15 Uhr im Fernsehstudio "Congress Live" am Sonntag, 18. Mai, mit IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow

Kongresstagebuch: Höhepunkte im Livestream (Ortszeit Berlin = GMT + 2)
http://congress2014.ituc-csi.org

Sonntag, 18. Mai 14:30 – 16:00 Uhr Eröffnungsveranstaltung
Frank-Walter Steinmeier, Außenminister Deutschland; Ansprache von Michael Sommer, IGB-Präsident; Helen Clark, Leiterin des UNDP, als Vertreterin der Vereinten Nationen; und Abdes Ouaddou, früherer Kapitän der marokkanischen Fußballnationalmannschaft, der in Katar Fußball gespielt hat.

Montag, 19. Mai 9:00 – 12:30 Uhr Plenum
Sharan Burrow, IGB-Generalsekretärin; Guy Ryder, Generaldirektor, Internationale Arbeitsorganisation

13:20 – 13:50 Uhr "Congress Live": Podiumsdiskussion über die Weltweite Umfrage des IGB 2014 mit Zwelinzima Vavi, Generalsekretär COSATU (Südafrika); Frances O’Grady, Generalsekretärin TUC (Großbritannien), Richard Trumka, Präsident AFL-CIO (USA).

In die Umfrage wurden Erwachsene (18 Jahre und älter) in Australien, Belgien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Kanada, Indien, Italien, Japan, Russland, Südafrika, dem Vereinigten Königreich und den USA einbezogen. In jedem Land wurden etwa 1.000 Befragungen angestrebt und insgesamt 14.006 Personen befragt. Sämtliche Befragungen erfolgten online. TNS Opinion hat die Feldarbeit zwischen dem 8. und dem 19. Januar 2014 durchgeführt.