Interview mit Gertrude Hambira (GAPWUZ - Zimbabwe)

"FarmarbeiterInnen werden misshandelt und allein gelassen"

Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen hatten im Februar 2010 zur internationalen Unterstützung der Agricultural and Plantation Workers Union of Zimbabwe (GAPWUZ) und insbesondere ihrer Generalsekretärin Gertrude Hambira aufgerufen. Die Gewerkschafterin musste das Land verlassen, nachdem mehrere Polizisten des CID (Criminal Investigation Department) bei einer Durchsuchung des Gewerkschaftsbüros nach ihr gefahndet hatten. Im Interview mit dem IGB fordert sie eine umfassende Landreform.

Was beinhaltet die Landreform, die seit dem Jahr 2000 in Simbabwe durchgeführt wird?

Diese Landreform könnte als „Rassenfrage“ interpretiert werden, weil weiße Farmer von ihren Farmen vertrieben werden, um sie an Schwarze zu geben... Fakt ist aber, dass die Farmen an Schwarze übereignet werden, die Teil der politischen Elite sind: MinisterInnen, Kriegsveteranen, Anhänger der Regierungspartei ZANU-PF (Zimbabwe African National Union-Patriotic Front), RichterInnen etc. Einige MinisterInnen haben zwischen fünf und zehn Farmen bekommen, pro Person. Dabei haben dann die neuen BesitzerInnen die schwarzen ArbeiterInnen von „ihrem“ Land vertrieben. Sie haben nur fünf bis zehn Arbeitskräfte pro Farm behalten, auf Farmen, die vorher bis zu 200 Beschäftigte hatten. Ein Resultat ist, dass die Produktion gesunken ist, was Auswirkungen auf die Produktion des gesamten Landes hat.

Die potenzielle Erwerbsbevölkerung in der Landwirtschaft, die sich vor der Reform in der Hochsaison auf 500.000 belief (inklusive der SaisonarbeiterInnen), ist auf rund 120.000 zurückgegangen. Die meisten ArbeiterInnen wurden von den Farmen vertrieben und sind obdachlos geworden. Andere verdingen sich als TagelöhnerInnen. Einige suchen illegal nach Gold oder Diamanten oder verrichten Tätigkeiten in der informellen Wirtschaft.

Aber es kann doch nicht im Interesse der neuen BesitzerInnen sein, die FarmarbeiterInnen rauszuwerfen. Warum tun sie das?

Jeder will Land besitzen, aber nicht jeder will Farmer sein. Landwirtschaft ist Arbeit, kein Hobby. Um zu produzieren, musst du auf der Farm sein. Diese neuen BesitzerInnen verbringen jedoch die meiste Zeit in ihren Büros und geben Anweisungen, aber vor Ort ist niemand, der die Arbeit koordiniert. Wenn du eine Farm übernimmst, dich von den ArbeiterInnen trennst und den Rest unterbezahlst, dann musst du scheitern. Später wird die Verantwortung dafür allen anderen zugeschoben (den ArbeiterInnen, den Banken, die dir keine Kredite geben, der Opposition), aber du selbst hast dich in diese Situation gebracht.

Hat die Beteiligung von Oppositionsführer Morgan Tsvangirai an der Regierung die Situation nicht verbessert?

Die Dinge mögen sich für die Reichen verbessert haben, aber wenn es einen Systemwechsel gibt, dann erwarten die Leute Brot und Butter auf ihrem Tisch. Das ist es, was die einfachen Leute von der Regierung erwarten. Aber bereits nach einwöchiger Amtszeit der neuen Regierung der nationalen Einheit wurden weitere Farmen beschlagnahmt und noch mehr ArbeiterInnen vertrieben, während andere weiterhin schlecht bezahlt wurden. Die Menschenrechtsverletzungen gehen weiter und GewerkschafterInnen werden weiter verfolgt und verhaftet. Ich musste unter der neuen Regierung der nationalen Einheit ins Exil gehen. Dabei habe ich doch nicht die Absicht, die Regierung zu stürzen oder die Landreform umzukehren. Alles, was ich mache, ist die Wahrheit sagen.

Warum wurdest du ins Exil gezwungen?

Ich wurde zum JOC (Joint Operation Command) vorgeladen, einer hochrangigen gemeinsamen Einrichtung der Armee, Polizei, Gefängnisbehörden und Geheimdienste. Am 19. Februar luden sie mich auf das Polizeihauptrevier vor und fragten mich, warum ich eine Dokumentation über Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Landreform produziert hätte. Sie befragten mich etwa zwei Stunden lang. Drei Tage später schickten sie sieben Männer, um mich zu "entführen", was bedeutet, verhaftet und auf unbestimmte Zeit an einem geheimen Ort festgehalten zu werden. Glücklicherweise war ich nicht im Büro und konnte aus dem Land fliehen. Nach meiner Abreise wurden meine KollegInnen verhaftet. Sie wurden nicht geschlagen, aber stark eingeschüchtert. Man sagte ihnen, sie würden im Gefängnis sterben, wenn sie nicht verrieten, wo ich war.

In welcher Form wurdest du verhört?

Sie fragten mich immer wieder, wo die Bilder der Dokumentation gefilmt worden seien und was wir mit den Bildern beabsichtigten. Sie sagten mir, ich sollte ins Gefängnis gebracht werden und dort sterben, weil ich eine gefährliche Person sei. Ich antwortete, dass ich nur die Wahrheit sage und dass ich von ihnen eher erwarten würde, mich zu fragen, wie man all diese schrecklichen Gewaltakte beenden könne. Stattdessen wurde ich mit einem aggressiven Verhör konfrontiert.

Wurdest du in der Vergangenheit bereits verhaftet?

Ja, und ich wurde auch wiederholt von der Polizei geschlagen. Meine letzte Verhaftung war im Dezember 2008, als ich an einer ZCTU (Zimbabwe Congress of Trade Unions)-Demonstration gegen den Mangel an Geld im Umlauf teilnahm. Ich wurde von der Polizei brutal auf der Straße zusammengeschlagen und zwei Stunden lang festgehalten, bevor ich freigelassen wurde.

In der GAPWUZ (General Agricultural Plantation Workers Union of Zimbabwe)-Dokumentation wird die Folter von schwarzen Arbeiter(inne)n und weißen Bauern verurteilt. Sie zeigt zum Beispiel den Fall eines Arbeiters, der in eine betrunkene Menschenmenge geworfen wird, die ihn mit erschreckender Grausamkeit behandelt. Sind diese Leute Paramilitärs, Gangster?

Sie sind die "Jugendmiliz". Die Regierung hat eine Jugendmiliz aus jungen Arbeitslosen aus ländlichen Gegenden organisiert. Sie werden trainiert und anschließend losgeschickt, um Farmen zu überfallen. Zunächst belästigen sie die ArbeiterInnen und zwingen sie, zu ihren Treffen zu kommen. Wenn diese sich weigern, ihnen zu gehorchen, beschuldigen sie sie, Mitglieder der Opposition zu sein und drohen damit, sie zu "disziplinieren". Dann belästigen sie sie weiter, verprügeln sie, binden sie an Bäume, um sie zu verprügeln und zwingen ihre Kinder, bei ihrer Folter zuzusehen.

Sie sind wie Paramilitärs, die für die Drecksarbeit beschäftigt werden?

Ja, und wenn wir die Polizei zu Hilfe rufen, schauen die einfach weg, ohne irgendetwas zu tun.

Findet die Gewalt gegen weiße FarmerInnen und schwarze ArbeiterInnen, die in eurer Dokumentation beschrieben wird, heute immer noch statt?

Im Moment vertreiben sie sie aus ihren Häusern, aber sie greifen sie nicht an. Manchmal kommt die Jugendmiliz, um die ArbeiterInnen zu vertreiben, die am Straßenrand leben, aber es gibt Organisationen, die ihnen humanitäre Hilfe zukommen lassen.

Was passiert mit den weißen FarmerInnen, die vertrieben werden?

Einige sind nach Australien, England, Neuseeland oder in benachbarte Länder gegangen. Alles, was sie mitnehmen können, ist ihre Familie. Unsere Dokumentation zeigt den Fall eines weißen Farmers, der sich jetzt Sorgen um die Schulbildung seiner Tochter macht. Aber man muss auch fragen, wer sich um die Schulbildung der 200 ArbeiterInnen kümmern wird, die bei ihm beschäftigt waren? Es ist nichts Falsches daran, die Ungleichheiten, die es gab, zu beseitigen, weil alles fruchtbare Land nur der weißen Minderheit gehörte, aber warum dabei einen Arbeiter oder Farmer umbringen? Warum müssen Kinder aus der Schule geworfen werden? Wir brauchen eine echte Landreform, die nicht zu Menschenrechtsverletzungen führt.

Kann die Gewerkschaft unter solchen Bedingungen aktiv bleiben?

Vor der Landreform hatten wir 150.000 Mitglieder. Diese Zahl ist jetzt auf etwa 25.000 zurückgegangen. Die meisten unserer Mitglieder wurden von dem Land, auf dem sie arbeiteten, vertrieben. Unsere Gewerkschaft tut alles, was sie kann, um stark zu bleiben; in den letzten Jahren haben wir nichts anderes getan als sie immer wieder aufzubauen.

Als die Farmen im Jahr 2000 beschlagnahmt wurden, zerstörte man damit auch alle Gewerkschaftsstrukturen. Wir fingen an, sie wieder aufzubauen. Im Jahre 2005 waren Menschenrechtsverletzungen weit verbreitet und die Gewerkschaftsstrukturen wurden erneut schwer getroffen. Nach den Wahlen mussten wir beginnen, sie wieder aufzubauen. Die jahrelangen Beschlagnahmungen von Farmen hatten zur Folge, dass wir unsere Strukturen permanent wieder aufbauen mussten. Im Jahre 2008, während der gewalttätigsten Wahlen, die es jemals in Simbabwe gegeben hat, waren alle Gewerkschaftsstrukturen erneut betroffen. Andere Gewerkschaften wurden ebenfalls getroffen, aber die Agrargewerkschaft traf es am schlimmsten.
 
Tatsächlich haben wir uns stets bemüht, unsere Gewerkschaft in ländlichen Gemeinden aufzubauen. Seit 1985 haben wir, durch Ausbildungsprogramme und Treffen, bei denen die Vorteile einer Mitgliedschaft erläutert werden, Mitglieder geworben. Es hat fast zwanzig Jahre gedauert, diese Gewerkschaft aufzubauen, aber alles, was wir geschaffen haben, wurde sozusagen über Nacht zerstört. An einem Tag bauen wir etwas auf, am nächsten wird es zerstört… das sind die Bedingungen, die wir überwinden müssen, während wir durch die Unterstützung ausländischer Gewerkschaften und anderer Partner in aller Welt überleben.

Welche Dienstleistungen könnt ihr euren 25.000 Mitgliedern anbieten?

Die Arbeit einer Gewerkschaft ist nicht auf das Aushandeln von Löhnen beschränkt. Wenn LandarbeiterInnen von ihrem Land vertrieben werden, vertreten wir sie vor Gericht; wir knüpfen Verbindungen zu Organisationen, die ihnen humanitäre Hilfe gewähren können. Wir organisieren auch Bildungsprogramme für die Bevölkerung zu Themen wie HIV und vielem anderen mehr.

Ihr bietet Rechtshilfe an, obwohl bekannt ist, dass die Gerichtsbarkeit in Simbabwe alles andere als unabhängig ist…

Natürlich, aber wir müssen das tun, denn eines Tages wird die Normalität wiederhergestellt sein. Dann können wir die Fälle neu aufrollen und Gerechtigkeit verlangen.

Eure Dokumentation berichtet über die Fälle, die vor dem Tribunal der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft SADC verhandelt wurden. Zu welchen Urteilen kam es?

Das SADC-Tribunal bestätigte, dass die Regierung die Farmen nicht beschlagnahmen darf, aber diese weigert sich, die Urteile umzusetzen und es gibt niemanden, der die Regierung dazu zwingen könnte. Einige der Fälle, die vor das Tribunal kamen, betrafen sogar Farmen, die unter das SADC-Partnerschaftsabkommen fielen und nicht von der Landreform betroffen sein sollten. Dem Abkommen zufolge ist alles, was auf diesen Farmen produziert wird, für den Export in andere SADC-Länder bestimmt.

Wie kann euch internationale Gewerkschaftssolidarität helfen?

Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) und seine Mitglieder sollten an die Regierung von Simbabwe schreiben, den ZCTU unterstützen und gemeinsam mit der Internationalen Union der Lebensmittel-, Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant, Café- und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften (IUL) auf das Schicksal der LandarbeiterInnen aufmerksam machen. Wann immer dies möglich ist, sollte unseren von der Reform betroffenen Mitgliedern über den ZCTU finanzielle Hilfe zugänglich gemacht werden. Alle ArbeiterInnen, die in der Dokumentation befragt und deren Gesichter unkenntlich gemacht wurden, verstecken sich nach wie vor in Simbabwe. Sie sind in einer außergewöhnlich schwierigen Situation.

Wissend um die Probleme, denen du dich als Gewerkschaftsführerin gegenüber siehst, was hat dich bewogen, diese Rolle zu übernehmen?

Mir liegen mein Land und die Menschen, die ich vertrete, sehr am Herzen. Sie hatten jahrelang kein Mitspracherecht. Ich kann mich nicht einfach zurücklehnen und dabei zusehen, wie das, was wir über Jahre hinweg aufgebaut haben, zerstört wird. Jemand muss das Wort ergreifen und mir wurde die Pflicht übertragen, für Simbabwes ArbeiterInnen zu sprechen, als ich auf einem Kongress gewählt wurde.

Interview von Samuel Grumiau

Bericht der Gewerkschaft GAPWUZ über Menschenrechtsverletzungen während und seit der Landreform in Simbabwe.

Videobericht „House of Justice“ in drei Teilen:1, 2, 3